Was für eine Schande! Die Wachau liegt nur eine gute Autostunde von unserem zuhause entfernt, der halbe Weinkühlschrank ist stets mit den besten Tropfen vom Federspiel aufwärts gefüllt, und dennoch haben wir es noch nie weiter als nach Krems geschafft. Kurzum: ein Besuch in die Wachau war längst überfällig. Ausgehend vom wunderschönen Raffelsberger Hof in Weißenkirchen haben wir uns mit Kleinkind und Kinderwagen vier Tage lang quer durch die Wachau gefressen (pardon natürlich gegessen). Unser Highlight war freilich der Besuch der Hofmeisterei Hirtzberger, aber auch die stets babyfreundlichen Betriebe wie das Restaurant Jamek, das Gasthaus Prankl, der Jägerheurigen und das Fischrestaurant Heinzle haben uns überzeugt. Unser Fazit: die Wachau bringt nicht nur beste Weine hervor, sondern bietet seinen Gästen auch Kulinarik auf höchstem Niveau.
Wie sich die Zeiten so ändern: vor einem Jahr noch hätten wir bei Spitzenlokalen wie der Hofmeisterei Hirtzberger ohne Zögern das große fünfgängige Menü mit Weinbegleitung geordert, hätten dementsprechend stundenlang geschlemmt und wären dann leicht überfressen und gut beschwipst ins Land der Träume gesegelt. Mit Kind sieht der ganze Spaß etwas anders aus und muss mit mehr Bedacht angegangen werden. Schlecht? Mitnichten! Die Restaurantbesuche haben sich lediglich vom späten Abend auf Mittag oder Nachmittag verlegt (ganz flexibel je nach den Stillzeiten) und aus den langen Gourmetsitzungen wurden kürzere. Dafür gehen wir halt öfter essen. Kein schlechter Kompromiss
In der Hofmeisterei Hirtzberger sind wir bespielsweise am frühen Nachmittag eingefallen und wurden dort sofort mit einem fulminanten Gedeck bestehend aus Rotem Rübenaufstrich, Leberaufstrich, Wurzelspeck und Butter versorgt. Serviert werden diese Köstlichkeiten in einem gefrästen Wurzelhoz. Sehr stimmig – genauso wie auch Ambiente und Service in diesem Edelwirtshaus zwischen Spitz und Weißenkirchen.
Mit welch hoher Qualität in der Hofmeisterei Hirtzberger gekocht wird, zeigt sich dann schon bei den aufwändig zubereiteten und grandios abgeschmeckten Suppen: die Flusskrebsschaumsuppe mit Avocado und Limette gefällt uns dank seiner guten Balance zwischen Geschmacksintensität und frischer Leichtigkeit. Die Weiße Paradeisersuppe kann durch seine vegetal-fruchtigen Noten überzeugen. Eine entsprechende Weinbegleitung für solche Aromabomben stellt für das Serviceteam kein Problem dar. Schließlich kann man auf die besten Kresenzen der Wachau mit unglaublicher Jahrgangstiefe zurückgreifen. Und so werden mit einer lockeren Selbstverständlichkeit zur Suppe (!!!) Weinsensationen wie ein Weißburgunder Smaragd 2001 von Franz Hirtzberger glasweise ausgeschenkt!
Als Hauptgang wird einmal Fisch und einmal Fleisch bestellt. Beide Gerichte bringen uns zum Schwärmen: optisch hervorragend umgesetzt, nicht überkandidelt und geschmacklich ein Träumchen. Der Gebratene Wels kommt in Konsistenz und Aroma fast speckig-fleischig daher. Zu dieser Deftigkeit passen das Artischoken-gemüse (Bitter! Umami!) und die gebackenen Kapern (Salzig! Sauer!) ganz hervorragend dazu.
Das Zweierlei vom Reh mit Eierschwammerl und Petersilienpofesen weiß durch perfekten Umgang mit dem Produkt (einmal rosa Rehrücken, einmal geschmorte Keule) sowie unpackbar guten Beilagen zu gefallen. Die sautierten Eierschwammerl, die buttrigen Kräuterpofesen sowie das leichtfüßige Fleischsößchen heben dieses Gericht in die Sternekategorie.
Unsere erste Nachspeise, eine Schwarzwälder-Kirsch-Interpretation, gelingt hingegen nur mäßig. Die Schoko-Kirsch-Milchschnitte wurde einmal zu oft beim Rumtopf (oder Kirschlikörfass?) vorbeigetragen und ist eine viel zu besoffene Geschichte. Da schafft auch das weiße Schokoladeneis keine Abhilfe mehr.
Das zweite Dessert schmeckt viel besser und wird zudem besonders einfallsreich serviert: in einem Eiswürfel aus Holz sind vier verschiedene Sorbets versteckt, am Deckel findet man noch ein paar Knabbereien dazu.
Aber nicht nur das Weingut Hirtzberger bietet mit seiner Hofmeisterei in Wösendorf anspruchsvollste Wirthausküche in gemütlicher Atmosphäre, auch das Weingut Jamek in Joching kann hier gut mithalten:
Als Vorspeise genehmigen wird uns hier eine Hausgebeizte Seeforelle mit Apfel, Kiwi und Koriander. Was hier mutig und spannend klingt, schmeckt auch so, ist aber absolut gelungen. Besonders gut gefällt uns hier die Kombination aus regionalen und exotischen Produkten, die am Teller zu einen harmonischen Gericht vereint wurden.
Einen großen Wirthausküchen-Moment erleben wir mit der Eierschwammerl-Eierspeis mit Butter-Erdäpfeln, die uns schon nach dem ersten Biss bereuen lässt, dass wir davon nur eine kleine Portion bestellt haben.
In der Wachau isst man angeblich nirgendwo eine besseres Kalbsrahmbeuschl mit Serviettenknödel als im Weingut Jamek. Wir haben zwar sonst in der Wachau kein anderes Beuschl probiert, aber dieses wird nur schwer zu übertreffen sein.
Wo, wenn nicht hier? Für den süßen Zahn werden noch Marillenpalatschinken mal zwei (natürlich auf einem Teller mit zwei Gabeln) bestellt. Simpel. Einfach. Großartig.
“Überall, außer auf den Toilettenanlagen” antwortet uns der sympathische Restaurantleiter auf die Frage, wo denn die Weine hier am Weingut Jamek verkostet und anschließend gekauft werden können. Gesagt, getan, werden uns ein paar Augenblicke später eine Auswahl von Rieslingen und Grüne Veltliner zum Riechen, Schmecken und Schwärmen an den Tisch gebracht. Hier schmeckt einfach alles, gekauft wird aber nur ein Sechserkarton – der Geldbörse zu Liebe. Außerdem hätte in den Einkaufskorb vom Kinderwagen auch kein zweiter Karton gepasst…
Auch in Spitz muss man nicht lange suchen, um ein Gasthaus mit bestem Speis und Trank sowie gepflegten Service zu finden. Im Gasthaus Prankl werden neben Klassikern so gar nicht wirtshaustypische Vorspeisen wie Ricotta & Picotta serviert, die von ambitionierter Küche und einigem guten Gespür für Aromen und Auge zeugen.
Als Hauptgang lassen wir uns hier Zweierlei vom Bioschwein servieren. Und auch wenn das Filet hier zu wenig rosa geraten ist, so ist der krachknusprige Schweinebauch und das Letscho mit den klassischen Braterdäpfeln einfach nur zum Niederknien.
Als Nachspeise gönnen wir uns beim Prankl dann noch zwei Stück Zwetschgenknödel, die wir uns zum Glück wieder teilen. Denn die Knödel sind hier so groß wie Tennisbälle, aber auch unglaublich gut.
Der Heurigen vom Weingut Jäger in Weißenkirchen hat im Normalfall nur einmal im Jahr (im April) ausgesteckt. Dank Falstaff-Bestwertung hat der Jägerheurigen auch nochmal im Spätsommer seine Pforten geöffnet. Ein Glücksfall:
Denn hier wird eine Heurigenjause Deluxe serviert: Unsere Jause beim Jäger besteht aus Saurem Rindfleisch, Gänseleberterrine mit Feigen, Haussalami mit Weinkäse und Roastbeef mit Remouladensauce. Alles hier ist von bester Qualität. Alles schmeckt und wird mit Liebe zubereitet und serviert. Dazu trinkt man ein, zwei, viele Gläser von der süffigen Steinfeder oder vom stoffigen Smaragd und das Leben kann in diesem Moment einfach nicht besser sein.
Gänseleberterrine mit Feigen (Heurigen Weingut Jäger)
Roastbeef mit Remouladensauce (Heurigen Weingut Jäger)
Das Fischrestaurant Heinzle direkt am Weißenkirchner Donauufer sieht aus wie ein ordinäres Gasthaus, weiß dann aber – neben wunderschöner Terrasse mit Rollfährenblick – mit bester Fischküche zu überraschen. Schon die Vorspeisenvariation bestehend aus Saiblingstatar, gebeizter Lachsforelle und Forellenmousse ist ein optischer und geschmacklicher Augenschmaus.
Und auch die Hauptgänge, die Gebratene Lachsforelle mit Steinpilzrisotto sowie der Wels auf hausgemachten Gnocchi und Roten Rüben, können uns vollends überzeugen.
Hirtzberger, Jamek, Jäger, Prankl, Heinzle – so gut schmeckt die Wachau. Nicht nur die Weine gehören hier zur absoluten Spitzenklasse, sondern auch die Wirtshaus- und Restaurantbetriebe können mit den edlen Tropfen in ihrer Qualität mithalten. Wir werden diesen wunderschönen Fleckchen Erde bald wieder besuchen, schließlich müssen noch viele Weinberge erwandert und weitere Restaurants (z.B. Landhaus Bacher, Nikolaihof, Loibnerhof, Wachauer Stuben, …) besucht werden.
Hofmeisterei Hirtzberger
Hauptstraße 74, 3610 Wösendorf
www.hofmeisterei.at
Weingut Restaurant Jamek
Joching 45, 3610 Weißenkirchen
www.weingut-jamek.at
Gasthaus Prankl
Hinterhaus 16, 3620 Spitz
www.gasthaus-prankl.at
Weingut Jäger
Kremserstraße 1, 3610 Weißenkirchen
www.weingut-jaeger.at
Fischrestaurant Heinzle
Wachauerstraße 280, 3610 Weißenkirchen
www.heinzle.at
Euren Empfehlungen kann ich mich aus eigener Erfahrung nur anschließen. Ist doch schön, wenn zu den tollen Wachauer Weinen auch entsprechende Speisen gereicht werden – oder ?
Hallo, danke für diesen wunderbaren Bericht. Vor allem das Weingut Jäger spricht mich von der Speisenauswahl sehr an. Wie ist das Preisniveau denn dort? Solltet ihr wieder mal in Krems Umgebung unterwegs sein, kann ich euch das Weingut Schöller in Wagram ob der Traisen wärmstens empfehlen. Tolle Weine, traumhaftes Ambiente, qualtitativ hochwertige Speisen, hausgemachte Mehlspeisen!
Vielen Dank für den Tipp. Preisniveau beim Jäger ist sehr ok, Speisen zwischen 2 und 15 Euro.
LG, Tini & Thomas