Wir sind ja schon etwas neidig auf Frau Apfelthaler – diese Pionierin des Food-Bloggings, die sich ihren persönlichen Lebenstraum erfüllte und ein kleines Restaurant in ihren eigenen vier Wänden betreibt. Als Jung-Blogger in der Foodszene müssen wir zugeben, dass uns genau dieser Gedanke nicht erst einmal durch den Kopf gegangen ist. Mit um so mehr Spannung und Vorfreude machten wir uns deshalb auf den Weg nach Hietzing, um dort in einem kleinen, versteckten, Privathaus den “Dining Room” aufzusuchen – Österreichs wohl bekanntesten Secret Dining Club.
Punkt 19:00 Uhr: die Chefin – Frau Apfelthaler persönlich – öffnet die Tür und heißt ihre 14 Gäste mit freundlichen Worten und einem warmen Lächeln Willkommen. Wir werden zugleich von einem herrlichen Rosmarin-Duft aus der Küche und dem gutmütigen Restauranthund Gino begrüßt. Der kleine Dining Room wirkt von Haus aus gemütlich, die Küche nebenan ladet zum “in den Topf reinschauen” ein. Auf einer Tafel an der Eingangstür begutachten wir mit Wohlwollen das aktuelle Dinner-Menü mit dem geheimnisvollen Namen “Isperazione”:
Italienisch – was sonst? Wer Angelika Apfelthaler kennt, weiß über ihr Faible für die mediterrane Küche Bescheid. Noch dazu kam die Vielgereiste erst vor wenigenTagen von einem Toskana-Trip zurück, voll bepackt mit frischen Eindrücken, tollen Produkten und neuen Inspirationen für die Küche – der Menütitel ist nicht zufällig gewählt. Irritiert sind wir nur von der ausgeschriebenen Weinbegleitung. Österreichischer Wein zu toskanischem Essen kann natürlich funktionieren – aufgrund eines Exklusivwinzervertrags (Gangl, Illmitz) kommen jedoch alle Tropfen vom selben Weinmacher. Wir sind skeptisch und gespannt…
Schon der Gruß aus der Küche (“Il Preludio”) zeigt den unprätentiösen Stil Apfelthalers: Top-Produkte werden puristisch verarbeitet, vorsichtig miteinander kombiniert, und ergeben am Teller neue Geschmackserlebnisse, ohne dabei die verwendeten Hauptprodukte zu verfälschen.
Hinter dem “Preludio” verbirgt sich ein Carne Cruda vom Kalb, serviert im Glas und eingeschichtet in Apfelmus und einem feinen Apfel-Sellerie-Salat. Das Gericht überzeugt durch sein schönes Spiel zwischen Säure und Würze, das rohe Kalb hat einen angenehmen Biss und kommt mit dem dazugereichten Meersalz bestens zur Geltung. Wir sind unschlüssig ob der Moscatolino da wirklich dazu passt, aber der Perlwein schmeckt ganz wunderbar. So kann es weiter gehen…
… tut es aber leider nicht ganz. Denn der Spargel mit Orangen-Safran-Öl und Garnele in Lardo könnte durchaus mutiger abgeschmeckt sein. Das edle Orangen-Safran-Öl kommt nicht ganz so zur Geltung wie erwartet, der hochwertige Spargel und die bissfeste Garnele im g’schmackigen Lardo-Schinken schmecken aber dennoch tadellos. Selbiges ist vom eigenartigen Chardonnay, der angeblich mit diesem Gang harmonieren sollte, leider nicht zu sagen.
Der Wein ist aber sofort vergessen, als der nächste Gang unsere Geschmacksknospen erfreut: eine Ricotta-Zucchini-Lasagnette mit frischen Fave und Pecorinocrème. Erneut beweist die kulinarische Autodidaktin, dass sie das Spiel aus Säure und Würze perfekt beherrscht. Der frisch-fruchtige Pinot Blanc mundet um vieles besser als der Wein zuvor, ein perfekter Begleiter zu diesem Gericht sieht wohl dennoch anders aus. Wie schön hätte hier wohl ein pfeffriger Veltliner oder ein gehaltvoller Riesling aus der Wachau dazu gepasst; oder zumindestens ein Tropfen, der gegen diese tolle Kreation nicht so gnadenlos untergeht.
Der Hauptgang: Geschmacklich eine Offenbarung, optisch leider nicht. Das Branzinofilet mit frischem Tomatensugo “alla Livornese”, einem Pignoli-Rosmarin-Cracker und Kichererbsenpüree macht am Teller wirklich nicht viel her, der Wolfsbarsch ist aber von Top-Qualität, perfekt glasig gegart und ergibt mit den eingekochten Tomaten eine frisch-fruchtige Kombination, die vom knackigen Rosmarin-Chip und dem cremigen Püree schön abgerundet wird. Der dazu gereichte Weißweincuvée (Cremello) verliert erneut gegen seinen übermächtigen Partner aus der Küche.
Die kleine aber feine Käsevariation lässt nur den angekündigten Pecorino vermissen, der es aufgrund des tragischen Erdbebens in Italien diesmal nicht nach Hietzing schaffte. Der raffinierte Schafskäse, ein cremiger Franzose und würzige Bergkäse sind aber, gemeinsam mit dem hausgemachten Quittengelée, ein adäquater Ersatz. Freilich könnte man auch einen Käseteller etwas spannender präsentieren. Der Rotweincuvée aus Zweigelt und Blaufränkisch verspricht von der Nase her ein fruchtig-würziges Trinkvergnügen, hält aber – kaum am Gaumen angekommen – recht wenig davon ein.
Das “Grande Finale” bleibt in guter Erinnerung: Apfelthalers Signature Dish, die kultige Schokoladewolketorte wird effektvoll mit Tischfeuerwerk präsentiert. Das Feuerwerk setzt sich nahtlos am Gaumen fort. Nach ca. 60 Sekunden ist der fast schon dekadent schokoladige Kuchen von allen 14 Gästen weggeputzt. Gegen den Getränkepartner, ein idealtypischer Espresso, ist diesmal aber auch gar nichts einzuwenden.
The Dining Room zeigt, dass ein Restaurant in den eigenen vier Wänden funktionieren kann. Apfelthaler demonstriert in ihrer Küche kompromisslosen Qualitätsanspruch bei der Produktauswahl. Sie bezieht ihre Ware ausschließlich von Kleinhändlern und ausgewählten Märkten. Sie ist eine Getriebene (im ganz positiven Sinne), stets auf der Suche nach den perfekten Zutaten und deren bestmögliche Zubereitung. Manchmal an diesem Abend erscheint sie jedoch so in ihrer Perfektion verloren, dass sie ihre Rolle als Gastgeberin zu vergessen scheint. Sie rührt so eifrig im Kochtopf, brutzelt so gekonnt in der Pfanne und serviert so präzise ihre eigenen Gerichte – da bleibt nicht mehr allzu viel Platz für Gemütlichkeit und zwanglosen Small Talk. Fragen werden zwar freundlich beantwortet, sind aber stets kurz und prägnant – der nächste Gang muss schießlich zubereitet werden. Wir wollen fast zu ihr sagen: “Angelika, schenk dir ein Glas Moscatolino ein, setz dich zu uns – das nächste Gericht kann noch warten. Berichte uns von dir, deinen Reisen, deinen Geschichten – du hättest bestimmt so viel zu erzählen“. Wir sagen dieses Mal nichts, vielleicht gibt es beim nächsten Besuch weniger Berührungsängste auf beiden Seiten.
Einen echten Kritikpunkt gibt es aber dennoch: Während in der Küche höchste Qualität und Perfektion herrscht, trifft die Weinauswahl leider nicht unseren Geschmack. Wir können das Exklusivwinzer-Konzept einfach nicht verstehen. Weder die allgemeine Weinqualität noch die Abstimmung mit den Gerichten sprechen dafür. Und dann kommt hier auch noch das äußerst fragwürdige Preis/Leistungsverhältnis dazu. Ein Glas Wein wird durchwegs über dem Ab-Hof-Preis einer ganzen Flasche verkauft – diese Marge ist für den Gast nicht mehr ok. Eine vernünftigere Preis-Politik, eine variierende Weinauswahl oder innovativere Ansätze – wie zum Beispiel ein “Bring-your-own-Bottle” Konzept wären wünschenswert.
Nichtsdestotrotz, The Dining Room ist eine spannende Restauranterfahrung und empfehlenswert für alle, die gute Produkte zu schätzen wissen und einmal ein schönes Abendessen im ungewöhnlichen Rahmen genießen wollen. Und vielleicht können wir beim nächsten Mal bereits unseren eigenen Wein mitnehmen…
Empfehlenswert | Preis/Leistung (Essen): ok | Preis/Leistung (Getränke): schlecht
Angelika Apfelthaler’s The Dining Room
Maygasse 31, 1130 Wien
http://theflyingapple.typepad.com/thediningroom/
zu der perfekten Bewertung noch eine kleine Anmerkung: es waren insgesamt 16 Gäste an diesem Abend anwesend und das war für diesen – zwar sehr schön gestalteten – doch nicht sehr großen Raum einen Tick zuviel (Akustik, Platzangebot). Vielleicht sollte die Hausherrin doch nur maximal jene Anzahl zulassen, die auch auf ihrer Homepage angegeben ist (14).
Liebes Team von Topf und Deckel,
ich liebe es gut essen (besonders mit persönlicher Note) und hatte ich mich daher sehr gefreut, als ich zum Geburstag Kochbuch und Dinner bei Frau Apfelthaler geschenkt bekam. Die etwas längere Anreise bei winterlichem Nebelwetter steigerte die Spannung noch. Leider war die Enttäuschung dann umso herber. Es begann mit den von Ihnen schon angemerkten sehr beengten Sitzverhältnissen und lauter Akkustik, ging weiter bei den nicht inspirierten, aber teuren Weinen und endete bei den durchschnitllichen Speisen, das Hauptgericht sogar zerkocht und lauwarm serviert.
Unsere Erkenntnis des Abends: Das was hier gereicht wird könnte man (wenn ein Feinspitz ist) gut und gerne daheim kochen und vielleicht sogar besser, weil nicht zerkocht und warm. Wir haben also nicht verstanden, wieso man solch Spitzengastronmiepreise dafür bezahlen darf. Vielleicht hatten wir Pech und einen schlechten Abend erwischt. Wir haben es kein zweites Mal ausprobiert.