Wir haben noch nie eine Nase gegessen. Und das trotz “Nose to Tail”-Philosophie, der sich derzeit so viele Spitzenköche verschrieben haben. Das Schwänzchen wird einem ja regelmäßig in der Suppe serviert und auch sonst haben wir, neben den klassischen Innereien (Leber, Nierndl, Bries, Hirn, Beuschel, …), schon so einige Raritäten kosten dürfen: Schweinsfüße und Entenherzen in Frankreich, Lammhoden in Hinterglemm, Stierhoden und Bluttrommerl bei Richard Rauch oder Hahnenkämme bei Tom Riederer. Ein Näschen fehlte aber noch in unserer Sammlung. Dafür mussten wir schon zu Max Stiegl nach Purbach fahren, Österreichs Spezialist in Sachen Innereien und alles was grauslich klingt, aber eigentlich gut schmeckt. Als der Saurüssel samt Schweinsohren dann vor uns am Teller lag, mussten wir dann dennoch kurz innehalten. Austro-Dschungelprüfung oder Delikatesse? So hat es uns im Gut Purbach geschmeckt:
Das Gut Purbach erweist sich von außen als wahrer Wohlfühlort, der jedoch im Inneren etwas von seinem Zauber verliert. Die alten Gemäuer geben dem Restaurant viel Charme und Seele, allerdings ist uns das Interieur etwas zu schlicht und kühl geraten. Am schönsten wird es hier wohl im Sommer sein, wenn man im gemütlichen Gastgarten im Innenhof speisen kann. Wir waren leider im Winter dort und mussten mit der modernen Gaststube Vorlieb nehmen – wohl haben wir uns aber trotzdem gefühlt. Das lag vor allem am Servicechef, der mit viel Begeisterung und Elan souverän durch den Abend führte. An manchen Tagen werden im Gut Purbach ausschließlich Innereien – im Rahmen einer 13-gängigen Degustation – serviert. Wir waren an einem normalen Tag dort, hofften aber dennoch auf das ein oder andere Spezialgericht in unserem 7-Gang-Überraschungsmenü um 84 €. Wir sollten nicht enttäuscht werden:
Amuse Bouche
Max Stiegl zeigt schon beim Gruß aus der Küche, dass sein Zugang zum Kochen kein zimperlicher ist. Das geschmorte Wurzelwerk und die Topinamburcreme sind bis an die Grenze gewürzt (Salz!), ergeben aber gemeinsam mit der Kresse ein sehr aromatisches Geschmacksbild. Eines ist nun sicher: unsere Geschmacksknospen sind vorgewarnt.
Gänseleberterrine mit Mango, Brioche, Birne, Cassis
Die Terrine von der Gänseleber kommt in einem interessanten Gewürzmantel, bestehend aus exotischen Gewürzen sowie Kümmel, daher. Wir sind zunächst skeptisch, gemeinsam mit Mango, Birne und Cassis funktioniert das geschmacklich aber dennoch sehr gut. Das obligate Brioche ist ebenfalls tadellos.
HALÀSZLÈ „pannonische Fischsuppe“ mit Safran, Belugalinsen, Speck, Paprika, Wels
Ein fulminanter Höhepunkt wird mit der pannonischen Fischsuppe gesetzt, die jeder Bouillabaisse Marseillaise Konkurrenz machen könnte. Hier beweist Max Stiegl einmal mehr, dass er nicht viel vom “fein abschmecken” hält, sondern gerne in die volle Gewürzkiste greift. Was für eine Aromabombe!
SAURÜSSEL mit Schweinsohren-Salat
Mit fast schon diebischer Freude serviert uns der Kellner dann ein Gericht aus Stiegls Raritäten-Küche: ein prächtiger Saurüssel vom Mangalitza-Schwein grunzt uns plötzlich vom Teller an. Provokation und Irritation. Es ist, was es ist. Und Max Stiegl möchte das nicht verschleiern, sondern präsentiert den Rüssel in seiner ursprünglichen Form (und eben nicht zum Ragout oder ähnlichem verarbeitet). Der erste Bissen kostet uns schon etwas Überwindung. Aber dann! Zart, buttrig, deftig! Dank einer 24 Stunden-Kur im Schmortopf zergeht der Saurüssel förmlich auf der Zunge und entwickelt dort einen kräftig-herrlich-fettigen Fleischgeschmack. Ein Gericht, das uns lange in Erinnerung bleiben wird.
BABA GHANOUSH mit Ochsenherz-Paradeiser
Fast genauso viel wie über den Saurüssel wurde dann über dieses Gericht diskutiert: Denn warum serviert man im Gut Purbach im tiefsten Winter Baba Ghanoush bestehend aus Melanzani und Ochsenherz-Paradeiser? Sowohl Chefkellner als auch Chefkoch konnten uns diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten (das Argument vom Bio-Glashaus ums Eck wollten wir so nicht gelten lassen). Das Baba Ghanoush schmeckte freilich hervorragend, dennoch passt es für uns nicht in diese Jahreszeit.
SEEZUNGE nach Grenobler Art mit Zitrone, Croutons, Sellerie
Ganz und gar nicht regional geht es dann auch mit der Seezunge nach Grenobler Art weiter. Handwerklich perfekt gemacht, toll abgeschmeckt und mit einem feinsäuerlichem Sößchen. Sehr gut, aber ein Zander aus dem Neusiedlersee hätte uns hier besser geschmeckt.
GALLOWAY Rind mit Sauce Bernaise und Pommes Frites
Das Galloway Rind stammt dann zum Glück wieder aus Österreich, landet perfekt gegrillt und mit einer idealtypischen Sauce Bernaise auf dem Teller. Alles wird gut! Nur die Pommes Frites wurden bestimmt nicht dreifach, sondern nur zweifach, frittiert. Ja, man kann’s uns halt nicht leicht recht machen.
SOMLAUER NOCKERL
Somlauer Nockerl haben uns noch nie geschmeckt. Leider konnte auch Max Stiegl nichts daran ändern. Auch wenn seine Interpretation etwas moderner am Teller aussah, hatten wir letztendlich wieder nur einen in Rum getränkten Gatsch auf dem Teller. Dafür war das Zimteis wirklich gut.
Durchwachsen. So lässt sich unser Besuch im Gut Purbach am besten beschreiben. Die Küche lieferte Grandioses wie Fischsuppe und Saurüssel, Durchschnittliches wie Gänseleberterrine und Steak, sowie saisonal bzw. regional Verwirrendes wie Baba Ghanoush und Seezunge. Auch das, an sich hervorragende und superfreundliche, Service patzte. Eine Unverträglichkeit gegen Mango wurde im ersten Gang noch berücksichtigt, beim Dessert aber schon wieder vergessen. So ein Fehler kann wirklich böse – nämlich im Krankenhaus – enden. Die Weinbegleitung enthält naturgemäß viele Tropfen vom hauseigenen Weingut (Weingut Bichler) und entsprach unserer Vorstellung eines guten Preis-Leistungsverhältnisses. Vielleicht kommen wir mal im Sommer zum Sautanz wieder, ansonsten wird uns das Gut Purbach aber nicht mehr so schnell sehen. Trotzdem: eine Empfehlung für alle abenteuerlustigen Kulinariker, die auch über saisonal-regionale Schnitzer mal gerne hinweg sehen…
Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Gut Purbach
Hauptgasse 64, 7083 Purbach
www.gutpurbach.at