Der Natural Wine Hype dürfte nun endgültig auch am österreichischem Markt angekommen sein. Bester Beweis: die Wein & Co Messe Mondovino widmete den naturnahen Weinen mittels eigener Bar einen Schwerpunkt, an der es über 25 meist biodynamisch und oxidativ ausgebaute Tropfen zu verkosten galt. Für uns Grund genug drei Fragen auf der Mondovino auf dem Grund zu gehen:
- Was zum Teufel sind Natural Wines überhaupt?
- In wie weit unterscheiden sich explizit deklarierte Natural Wines von normalen Bio-Weinen ohne diesen Stempel?
- Sind Natural Wines wirklich für den Breitenmarkt tauglich? Sprich: wie gut trinkbar sind die Weine für den Otto-Normal-Bürstler?
Aus diesem Grund haben wir uns nicht nur durch die Natural Wine Schank gekostet, sondern haben zum Vergleich auch österreichische Bio-Weine abseits des Mainstreams probiert (Fokus: Grüner Veltliner). Das Ergebnis hat uns überrascht und wartet mit einigen spannenden Neuentdeckungen auf!
Christoph Edelbauer: Grüner Veltliner 2014 / Grüner Veltliner Kamptal DAC 2014 / Grüner Veltliner Kamptal DAC Reserve 2012
Zugegeben – bei den Weinen von Christoph Edelbauer haben es uns die Flaschen ohne Etikett und mit Siebdruck-Beschriftung besonders angetan. Aber auch der Inhalt weiß zu überzeugen. Mit diesem GV-Trio ist man für jede Lebenslage bestens gerüstet: den unglaublich knackig-frischen Grünen Veltliner für die heißen Sommertage, den pfeffrigen Kamptal DAC für den täglichen Genuss und die kräftige Reserve für besondere Anlässe im Jahr (die dank dem günstigen Preis ruhig häufiger ausfallen können). Edelbauers Weine sind geradlinig, präzise und sortentypisch und befreien sich dadurch von jedem Verdacht effekthascherische Natural Wines zu sein.
Christoph Edelbauer mit seinem Grünen Veltliner Kamptal DAC 2014
Fritz Salomon-Gut Oberstockstall: Grüner Veltliner Brunnberg 2013, Grüner Veltliner Maulbeerpark 2013, Oran 2013
Spricht man mit dem bescheiden-sympathischen Winzer Fritz Salomon aus dem Wagram, ahnt man schon, dass hinter den Flaschen mit schlichten Etiketten ganz besondere Weine stecken. Stille Wasser sind schließlich tief. Salomons Ruhe und Leidenschaft spiegeln sich in seinen erdigen Grünen Veltlinern wider. Während der klassische Brunnberg noch die Veltliner-typische Würze und Frucht mitbringt, haut einem der Maulbeerpark mit seinem exotisch-fruchtigen und leicht oxidativen Bukett regelrecht um. Am Gaumen wird fortgeführt, was die Nase verspricht: gute Länge, extrasüßer Körper und das spezielle Etwas. Mit seinem Amphorenwein Oran vollendet Salomon jene Weinstilistik, die er mit seinen Grünen Veltlinern schon angedeutet hat: Erdigkeit, Komplexität, Raffinesse und gute Trinkbarkeit. Wir fragen ihn, warum seine Weine nicht an der Natual Wine Bar zu finden sind. Er antwortet knapp: “Ach, ich mache meine Weine schon seit 10 Jahren so – Hype hin oder her.“
Fritz Salomon mit seinem Oran 2013
Herbert Zillinger: Grüner Veltliner Vogelsang 2014, Grüner Veltliner Radikal 2013
Bei Herbert Zillinger sieht man schon am schicken Etikett, dass er mit der Zeit geht. Dennoch steht er neben seinen Kollegen aus dem Weinviertel auf einem normalen Messestand. Von seinen Weinen der Edition “Z” behauptet er, dass diese etwas schwieriger - sprich weniger zugänglich und nur für fortgeschrittene Weintrinker geeignet wären. Wir meinen, dass man sich auf diese Raritäten nur einlassen muss und sogleich mit einem tollen Genusserlebnis belohnt wird. Der Vogelsang besticht durch Klarheit und Mineralik, der Radikal macht seinen Namen aller Ehre: würziger Lebkuchen und Karamell in der Nase, druckvoll und sehr lange am Gaumen. Zillinger will keine Chemie im Weinbau verwenden, konsequenter Bio-Anbau ist die logische Folge – naturbelassene und spannende Weine sind das Endergebnis in der Flasche.
Michael Gindl: Buteo 2014 (Grüner Veltliner), Sol 2012 (Grüner Veltliner)
Einen anderen Weinviertler, nämlich Michael Gindl, hätten wohl keine zehn Pferde an die Natural Wine Bar gebracht. Auf unsere vorsichtige Frage, ob er denn naturbelassene Weine mache, antwortet er unaufgeregt “Na kostest sie halt“. Wir halten die Nase ins Glase, machen eine kleinen Schluck, und stellen fest wie blöd diese Frage war. Gindls Weine schmecken rein, pur und erdig – dadurch etwas wild und fast dreckig, aber ohne den Trinkspaß zu schmälern. Der Buteo begeistert uns mit seinem kecken Wechselspiel aus Frucht und Würze sowie mit seiner einzigartigen Mineralik. Der Sol spielt dann in einer ganz eigenen Liga, schließlich wurden hier 45 Jahre alte Reben in großen Eichenfässern aus eigenem Holz zwei Jahre lang vergoren und unfiltriert abgefüllt. Das riecht man. Das schmeckt man. Weitere Beschreibungsversuche wären unzulässig.
Strohmeier: Rosé Sekt / Hoch: Kalkspitz 2015
Danach verschlägt es uns schlussendlich auch noch zur echten Natural Wine Bar. Schon etwas am Gaumen ermattet, lassen wir uns von naturbelassenen Sprudel erfrischen. Mit Erfolg: Strohmeiers Rosé Sekt vom Blauen Wildbacher betört uns mit seiner Walderdbeer-Nase. Am Gaumen zeigt sich der Weststeirer lebendig mit schöner Säure, aber fast schon einen Ticken zu brav für einen Natural Wine. Spezieller schmeckt der Kalkspitz vom Kremstaler Biowinzer Hoch, der nach dem “Pet Nat” Verfahren hergestellt wurde: durch die natürliche Petillant Naturel Methode wird Kohlensäure produziert, indem man den halbvergorenen Most mit ca. fünf Prozent Alkohol in die Flasche füllt und fertig vergären lässt. Das Ergebnis ist ein fruchtig-erdiger Perlwein mit kräftigen Hefenoten und cremigen Finish. Toll!
Maria & Sepp Muster: Graf Sauvignon
Das Traubenmaterial dieses Lagen Sauvignon Blanc wurde nicht nur penibel genau selektioniert sondern auch 2 Jahre lang im großen Holzfass vinifiziert. Diese Herstellungsmethode macht sich durch den mächtigen Aromenkomplex aus reifer Frucht und Kräuterwürze bemerkbar. Mit jedem Atemzug Luft offenbart der Graf eine neue Dimension in der Nase und am Gaumen. Trotzdem bleibt der Naturwein gut trinkbar.
Werlitsch (Brigitte und Ewald Tscheppe): Ex Vero II und Ex Vero III
Bei den Weinen vom Demeter-Weingut Werlitsch ist dann endgültig Schluss mit lustig. Soll heißen: mit einer herkömmlichen Weinansprache kommt man hier nicht mehr weit. Genauso wenig, wie ein Gelegenheits-Weintrinker diesen Wein besonders schätzen wird, wenn er sich einen normalen Wein erwartet. Nichtsdestotrotz kann man sich auf diesen Wein einlassen und mit viel Zeit und Geduld einen erdig-öligen Rebensaft mit vielen unterschiedlichen Aromen und Facetten erleben. Schneller Trinkspaß schaut jedoch anders aus. Ewald Tscheppe schreibt über diese Weine selbst, dass ihm “die Möglichkeit fehlt, diese Weine angemessen zu beschreiben. Letztlich zählt das individuelle Empfinden.“. Somit können auch wir nur unser Empfinden zu diesen Weinen ausdrücken: interessant, spannend, mächtig, kompliziert und – je nach Tagesverfassung und Stimmung – frustrierend oder lohnend.
Gut angeduselt lassen wir den Abend dann an den Champagner- und Whisky-Bars auf der Mondovino ausklingen. Die Stimmung auf der Weinmesse ist übrigens hervorragend, das durchwegs junge und hippe Publikum macht es möglich. Mit schwerer Lippe sinnieren wir über unsere eingangs gestellten Fragen:
1.) Was zum Teufel sind Natural Wines überhaupt?
Für uns war auf der Mondovino schnell klar, dass man Natural Wines nicht nur auf der dafür gekennzeichnet Bar findet. Viele österreichische Winzer arbeiten naturnah und produzieren Weine, die für uns den Charme und die Eigenheiten eines Natural Wines definieren. Unsere Erkenntnis: Natural Wines müssen mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllen:
- Bio-organische oder biodynamische Erzeugung
- Ohne Schwefelzusatz bzw. ohne Filtration
- Maischevergorener Weißwein (Orange Wine) und/oder Ausbau in Amphoren
2.) In wie weit unterscheiden sich explizit deklarierte Natural Wines von normalen Bio-Weinen ohne diesen Stempel?
Gar nicht. Normale Bio-Weine sind für uns Natural Wines. Punkt. Dementsprechend groß sind natürlich die Unterschiede zwischen einzelnen Produkten, aber das liegt auch in der Natur der Sache. Der junge Grüne Veltliner von Edelbauer und der Ex Vero III von Werlitsch haben nur mehr den flüssigen Aggregatszustand miteinander gemein. Dennoch verbinden diese beiden Weine eine Idee: naturnahe Weine mit Respekt vor der Umwelt und für den Genuss der Konsumenten zu produzieren. Und da muss es eine Bandbreite für jeden Anlass geben: von der Terrassenparty bis zur Meditationsstunde.
3.) Sind Natural Wines wirklich für den Breitenmarkt tauglich?
Ja und Nein. Je mehr Kriterien eines Natural Wines erfüllt werden (siehe oben), desto weniger wird der Geschmack die breite Masse treffen. Ein biodynamischer Weißwein, der 30 Tage auf der Maische vergoren, 2 Jahre in der Amphore gereift, und danach ohne Schwefelzusatz und Filtration abgefüllt wurde, wird er wegen seiner Komplexität und Fülle nicht als Alltagswein tauglich sein. Der hohe Preis aufgrund des Produktionsaufwands tut sein übriges dazu. Ein biodynamischer Grüner Veltliner wie vom Gut Oberstockstall oder Edelbauer wird schon mehr Leuten öfter Spaß machen. Uns persönlich erfreuen am meisten jene Weine, die den Spagat zwischen den beiden Extremen schaffen und somit Spannung und Trinkspaß vereinen. Siehe GV Maulbeerpark vom Gut Oberstockstall, siehe Buteo von Gindl, siehe SB von Sepp Muster.
Sponsored Post: Wir wurden zum Besuch der Mondovino eingeladen. Die Weinbeschreibungen entsprechen unserer persönlichen Meinung.