Speisekammer | Mut kann man nicht kaufen

Stylisch oder steril? Überschaubares Angebot oder tolle Menüvorschläge? Mutige Küche oder eigenwillige Kreationen? Die Speisekammer, Roman Stegers neues Restaurant im achten Wiener Gemeindebezirk, wird wohl so manche Geister scheiden. Aber egal ob einem nun die kahlen Wände, das Menükonzept oder so mache Extravaganzen am Teller gefallen oder nicht – eines muss jedem Gast mit Geschmackssinn einleuchten: hier wird großartig gekocht! Anspruchsvolles Essen braucht hier weder protziges Ambiente noch aufdringliches Service. In der Speisekammer werden im legeren Rahmen aufregende Speisen zu günstigen Preisen geboten. Soll heißen: das mutige Konzept geht auf – so stellen wir uns moderne Wiener Gastronomie vor.

Frittatensuppe

Aus drei Menüvorschlägen wählen wir das 4-gängige Degustations- und das 6-gängige Überraschungsmenü (um wohlfeile 39 bzw. 45 €). Das bodenständige Klassikmenü lassen wir links liegen. Macht nichts, denn dessen Klare Suppe mit Frittaten gibt es auch als ersten überraschenden Gang. Die Rinderkraftbrühe scheint zwar wenig originell, weist aber eine Geschmackstiefe und Intensität auf, wie wir sie bis jetzt nur im Plachutta gewohnt waren.

Paprikasuppe

Intensiv im Geschmack ist auch die Paprikasuppe, die nicht nur sensationell riecht und schmeckt, sondern auch eine wunderbare Konsistenz aufweist. Zwei Volltreffer gleich zu Beginn des Abends – so kann es weiter gehen!

Makrele und Hering

Stegers Beitrag zur Fastenzeit ist ebenso spannend: der cremige Hering-(salat) wird wunderbar von der würzigen Makrele konterkariert.

Büffelmozzarella

 

Im Überraschungsmenü wirds nun mediterran: Büffelmozzarella trifft Tomatensugo, Kräuterpesto und Topinambur-Chips. Die Antipasti sind sehr dekorativ auf einer Schieferplatte angerichtet und nicht nur optisch ein Genuss.

Kohlrabipanna-Cotta

Die Vorspeise im Degustationsmenü kann ebenso überzeugen: uns gefällt die witzige Idee der Kohlrabipanna-Cotta, bei der das knackige Gemüse mal ganz soft daherkommt. Dazu gibts Salat und aromatisches Kümmelbiskuit.

Kabeljau, rote Rübe

Dass Kabeljau nicht immer paniert werden muss, beweist der Zwischengang des Überraschungsmenüs. Der zart gebratene Fisch zerfällt schon beim Ansehen. Die roten Rüben sind eine ideale Ergänzung – da stört es auch nicht, dass hier anscheinend der Schaum der Paprikasuppe nochmal wiederverwendet wird.

Entenkeulen

Misslungenes Foto – kein gutes Gericht: beim Lesen der Menükarte haben uns zwar die Entenkeulen den Mund wässrig gemacht, aber in dieser Kombination mit Linsen und Faschiertem wird unser Appetit schon nach wenigen Bissen gezügelt. Die Komposition ist unglaublich intensiv im Geschmack, aber schon so kräftig, dass uns hier eine erfrischende und leichte Beilage fehlt. Fleisch mit Fleisch ist hier einmal Fleisch zu viel.

Beiried

Viel besser gelingt die Übung bei der Hauptspeise des Degustationsmenüs: die rosa Beiriedschnitte schmeckt zart und aromatisch, die Petersilgnocchi haben genau die richtige Konsistenz. Das fleischige Karottensugo schmeckt zu der Kartoffelbeilage großartig, zusammen mit dem Beiried ist die ganze Sache aber schon wieder etwas heftig.

Kabeljau, Bohnencreme, Zitronenkohl

Der zweite Kabeljau des Abends, diesmal mit Bohnencreme und erfrischendem Zitronenkohl gefällt uns ebenso gut wie die erste Variation mit roter Rübe. Ach ja: und diesen orangen Schaum haben wir doch auch schon gesehen…

Powidlschaum

Nach dem eigenwilligen Hauptgang, endet das Überraschungsmenü mit einer mittelprächtigen Nachspeise. Der Powidlschaum schmeckt zwar sehr fein, mit der Topfencreme und den Birnen können wir allerdings nicht allzu viel anfangen.

schokodessert

Himmlisch hingegen gerät das Schokodessert des 4-gängigen Degustationsmenüs: ein unverschämt gut schmeckendes Schokoküchlein mit Karamell-Schicht und ein verdammt leckeres Schokomousse. Ein krönender Menü-Abschluss!

Mut kann man in der Tat nicht kaufen; und dem Mut, den die Betreiber der Speisekammer mit ihrem Restaurant-Konzept aufbringen, gebührt höchster Respekt. Die Gerichte orientieren sich großteils am Mainstream vorbei, wissen aber trotzdem (oder gerade deshalb) zu überzeugen.
Verbesserungspotenzial orten wir – trotz all der bewusst lockeren Atmosphäre – beim Service: Anders als von Severin Corti im Web-Standard berichtet, wurden die Speisen nicht von den Köchen selbst serviert. An sich kein Problem, wenn die Kellner die Gerichte kurz erklären oder zumindesten den Namen präsentieren würden. Unverständlicher Weise mussten wir vor allem beim Überraschungsmenü mehrmals nachfragen.
Toll ist hingegen die kleine aber feine Weinkarte zu sehr fairen Preisen. Wir haben einen feinfruchtigen Riesling 2011 aus der Wachau (von Wess) sowie einen kräftig-würzigen Cuvée aus Blaufränkisch und Merlot (Schützner-Stein 2009) von Prieler genossen. Unsere erste Weißweinwahl (Grüner Veltliner Hundsleiten von Pfaffl) war leider schon ausgetrunken – das sollte bei einer solch kleinen Karte auch nicht passieren. Dennoch, in Erinnerung bleibt: schöne Weinkarte, tolle Menüs. Uns sieht die Speisekammer bestimmt wieder.

Speisekammer

Speisekammer
Tigergasse 31, 1080 Wien
www.speisekammer.cc 
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