Thomas Dorfer ist ja eigentlich ein cooler Hund. Und ein guter Koch. Falsch: ein fantastischer Koch. Wie hat es uns also im Landhaus Bacher geschmeckt? Sehr gut! Dennoch war dieser Abend für uns keine kulinarischen Offenbarung. Trotz grandioser Geschmacksmomente. Trotz fehlerlosem Service. Trotz charmanten Landhaus-Ambiente. Trotz fulminanter Weinkarte. Das Beste (von Allem) ist eben manchmal doch nicht gut genug. Ein Erklärungsversuch:
Zunächst aber mal zurück zum coolen Hund – Thomas Dorfer – zweifelsfrei ein Meister seines Fachs: seine Speisen sind allesamt perfekt am Spannungsbogen “salzig – sauer – süß” abgeschmeckt. Auf jedem Teller befinden sich beste (großteils regionale) Produkte, viel Herzblut und Leidenschaft. Leider wird aber nur der Geschmack und kein bisschen an Passion oder interessanten Zusatzinfos über die Speisen bis an den Tisch transportiert. Innovationen und Überraschungen (bei der Auswahl der Zutaten, Zubereitungsarten, Präsentation der Speisen) sucht man ebenso vergebens.
Selten haben wir die Gerichte eines Menüs in einer derart nüchtern-monotonen Abfolge serviert bekommen. Warum werden die Aperos auf Steinen und einer Baumrinde serviert? Wer hat den Holler gepflückt? Wieso kommt der Kümmel aus dem Waldviertel? Wer hat den Maibock geschossen? Was ist das besondere an diesem Mara de Bois Erdbeermark? All diese Fragen bleiben vom steifen Service unbeantwortet. Sowieso das Service: es scheint einem alten Hans Moser Film zu entstammen, redet in einem hochgestochen-schwulstig Ton, den heutzutag nur mehr Graf Bobbies und Frau Hofräte goutieren, versprüht aber sonst wenig Witz und Charme. Hauptsache das Wasserglas ist immer gut gefüllt (Nachschenken nach jedem EINZELNEN Schluck). Sorry, aber das musste jetzt raus!
Denn da verstehen wir den coolen Jeune Restaurateur Dorfer nicht: seine modern-kreativ österreichische Küche würde ein ebenso modernes und kreatives Service samt Präsentation verdienen. Seine Gäste wiederum, die hier mindestens um die 200 € pro Person liegen lassen, würden sich um das Geld ein kulinarisches Gesamtkunstwerk – inklusive Storytelling sowie ein wenig mehr Aha- und Wow-Momente – verdienen. Womöglich sieht das die bestehende Stammkundschaft anders, die Stammkunden von morgen aber bestimmt nicht.
Die heimelige Landhaus-Atmosphäre von Gaststube und -garten muss hingegen genauso bleiben wie sie ist. Genauso wie die Geschmackserlebnisse auf den meisten der servierten Tellern, die wir im jeweils 6-gängigen Frühlingsmenü (um 118 €) sowie Landhaus-Menü (um 133 €) genießen:
APERO
Asiatisches Beef Tatar im Knäckebrot, Kohlrabitäschchen mit Avocado und Holunder, Brandteigsticks mit Spicy Chili Mayo
Die kleinen Apero-Happen werden auf einer Baumrinde und schwarzen Steinen serviert. Das sieht zwar sehr hübsch aus, macht aber sonst keinen Sinn. Geschmacklich können die Miniatur-Bissen jedoch sehr überzeugen und bereiten den Gaumen auf ein aromatisches Verwöhnprogramm vor. Das Beef Tatar wurde ähnlich feurig-asiatisch und zum Niederknien gut abgeschmeckt wie bei Amador, bei den Kohlrabitäschchen darf der Holler auf der Zunge tanzen und die Chili Mayo würde man sich am liebsten im Glas mit nach Hause nehmen.
GRUSS AUS DER KÜCHE
Frischkäse Panna Cotta mit Erbsen- / Radieschen-Marinade
Beim eigentlichen Gruß aus der Küchen wird dann einen Gang runtergeschalten. Die Frischkäse Panna Cotta gerät – im Vergleich zu den vorigen Aperos – recht langweilig im Geschmack. Erbsen und Radieschen sind zwar hübsch anzusehen, aber auf diesem Teller halt auch nicht mehr als ein Salat.
RAMSAUER ALPSAIBLING & HOLUNDERBLÜTEN A LA „CEVICHE“
weißer Marchfeldspargel, Ingwer, Gewürz-Cashewnüsse & Holunderblütencreme
Die Idee mit der österreichischen “Ceviche” ist zwar nicht unbedingt neu, schmeckt aber in der Frühlingsvariante von Thomas Dorfer ganz hervorragend. Verpackt im süß-sauren Holunder und hauchzart-pikanten Ingwer kann sich der grandiose Alpsaibling bestens entfalten. Da verkommt der Spargel fast zum Nebendarsteller, auch wenn dieser natürlich am Punkt zubereitet wurde.
MARINIERTE ENTENLEBER, ALTER MADEIRA & PERIGORD TRÜFFEL
karamellisierter Dörrapfel, Briochecreme, Piemontaiser Haselnüsse & Honig, in Kakaobutter gebratener Brioche
Die marinierte Entenleber haben wir so – oder so ählich – schon einige Male genossen. Besonders gut an diesem Gang gefallen uns jedoch die Brioche- und Haselnuss-Cremchen, die perfekt zur Entenleber harmonieren. Für den Frische-Säure-Kick sorgen hier die Dörräpfel und die Madeira-Sauce. Die sündteuren Perigord Trüffel hätte man sich gerne sparen können.
GEGRILLTER KAISERGRANAT „ROYALE“ & PURPLE CURRY
die ersten Hülsenfrüchte, Fenchelherzen, gedörrte Physalis & Limonen-Krustentierveloute
Der stärkste Gang im Frühlingsmenü wird mit dem gegrillten Kaisergranat serviert. Der Norwegische Hummer darf hier in einer Art Curry-Bouillabaisse schwimmen, die einmal mehr in einer perfekten Balance aus Säure und Schärfe abgeschmeckt wurde. Hülsenfrüchte und Fenchel tragen schöne vegetale Noten zum Gericht bei und komplettieren diesen mehr als erfreulichen Teller.
SAURE RAHMSUPPE & WALDVIERTLER KÜMMEL
Spanferkelravioli, Wiener Schnecken, Junges Spitzkraut – „Szegediner Art“
Die saure Rahmsuppe im Landhaus-Menü kann hier leider lange nicht mithalten. Die Suppe schmeckt freilich in Ordnung und spielt schön mit den Gegenpolen aus Rahm-Säure und der Kümmel-Würze, die Einlagen (sowohl Ravioli als auch Schnecke) kommen hier aber fast gar nicht zur Geltung. Schade drum!
GEBRATENE ATLANTIK SEEZUNGE
gerösteter Senfkohl, Eierschwammerl, eingelegte Gurke, Arganölmousseline & Beurre Blanc
Ein wenig überzeugender Gang folgt dann leider auch im Frühlingsmenü mit der gebratenen Seezunge. Fisch und Sauce sind absolut in Ordnung, die Eierschwammerl schmecken aber freilich noch nach gar nix – schließlich hatten wir erst Mitte Mai. Da konnte auch die herrliche Arganölmousseline nichts mehr retten.
KOHLRABI & NUART’S SCHAFSTOPFEN
Pekannüße, Räucheraal, Estragoncreme & Apfel-Kohlrabimarinade
Ein sehr spannendes Geschmackserlebnis dürfen wir jedoch mit Dorfers Variation aus Kohlrabi und Schaftstopfen genießen. Die Konsistenzen knackig-cremig-flüssig treffen hier auf sauer-würzig-laktatische Aromen und können unseren Gaumen vollends verzücken. Die zwei Streifchen Räucheraal hätte es bei diesen – fast vegetarischen Gericht – gar nicht gebraucht.
MAIBOCK AUS DEM WALDVIERTEL
Mairüben, Gewürz-Dattelcreme, karamellisierte Zwiebeln schwarze Oliven & Wildschmorsaft mit Kubebenpfeffer
Das zarte Rückenstück vom Maibock sieht irgendwie unsauber geschnitten aus, wurde aber ansonsten handwerklich perfekt gegart und schmeckt auch hervorragend. Selbiges können wir von der Gewürz-Dattelcreme leider nicht behaupten, die einfach ganz und gar nicht unseren Geschmack trifft und uns an das klassische Apotheker-Zuckerl erinnert (Anis?). Der Rest schmeckt hervorragend, innovativ ist das Ganze aber natürlich nicht.
GEBRATENER NEUSIEDLERSEE ZANDER
junge Erbsen, weißer & grüner Spargel, Brunnenkressepüree, Schinkenschaum & Röstzwiebeljus
Da macht uns der superkross gebratene Zander mit Schinkenschaum (!) und Röstzwiebeljus (!) schon viel mehr Spaß. Fisch- und Fleischaromen samt Rostbraten-Assozationen gehen hier am Teller eine perfekte Symbiose ein. Ein traumhaftes Brunnenkressepüree sowie Erbsen und Spargel runden das Gericht perfekt ab.
SAUERAMPFEREIS
Veilchenblütensirup & Joghurt
Während im teureren Landhaus-Menü noch ein Hauptgang serviert wird, muss man im Frühlingsmenü mit einem Eis vorliebnehmen. Die erste Enttäuschung weicht beim Probieren des fantastischen Sauerampfereis aber schnell und kann die aufkommende Fleischeslust beim Blick auf den Nachbarteller vollständig eindämmen.
GEGRILLTES VOM LIMOUSIN LAMM & HARISSA
Sommerkürbis, Erdnußbutter, Pfefferoni, junge Artischocken & gebratene Senf-Kartoffel
Dennoch haben die Eisesser mit dem gegrillten Lamm vom Landhaus-Menü ein tolles Fleischgericht versäumt. Deftig und mit ordentlich Bumms dank Harissa und Pfefferoni erfreut diese Speise jede einzelne unserer Geschmacksnerven. Auch die jungen Artischoken und die Senf-Kartoffel schmecken großartig.
ERDBEEREN, MILCH & HONIG
Mara de Bois Erdbeermark, Griesskrokant & Flammerie, Metsirup & Honigwabeneis
Das Dessert aus dem Frühlingsmenü klingt fantastisch, hält aber leider nicht was es verspricht. Vielleicht hätte uns wirklich wer erklären müssen, was “Mara de Bois”-Erdbeeren sind, um dieses Gericht entsprechend zu würdigen. So können wir dieser Süßspeisen-Komposition leider nur sehr wenig abgewinnen.
ALPACO SCHOKOLADE (PERU 67%) & KOKOS
Pistaziencreme, Traisentaler Sanddorn, marinierte Mango, Maccadamianusskrokant & karamellisierter Rahm
Etwas besser (weil wenigstens Schoko!) geht es uns mit der Nachspeise im Landhaus-Menü, bei der uns der Kontrast zwischen dunkler Schokolade sowie Kokos, Mango und Pistazie recht gut gefällt. Wirklich begeistern kann uns aber auch dieses Dessert nicht.
SÜSSER AUSKLANG
Bienenstich mit Eierlikör
SÜSSER AUSKLANG
Rhabarbersüppchen mit Joghurtschaum, Schoko-Gugl mit Gummipralinen und Rosine, Helle Praline mit Salz – Dunkle Praline mit Curry, Topfenpalatschinke
Zum Glück werden uns zum süßen Ausklang noch eine Hand voller Köstlichkeiten serviert, die uns sehr gut in Erinnerung bleiben werden. Ehre der Bacher-Pâtisserie gerettet! Zum ersten Mal wird mit dem Rhabarbersüppchen im kleinen Bierglas auch etwas Witz in der Präsentation gezeigt. So einfach könnte es gehen. Bitte viel mehr davon!
Betrachtet man rein den Geschmack der Gerichte wird im Landhaus Bacher großes kulinarisches Kino geboten. Blättern wir allerdings über 100 € pro Menü hin, dann erwarten wir uns eine große Gourmet-Oper, die alle Sinne und auch unsere Emotionen berührt. Letzteres gelingt dem Team rund um Thomas Dorfer leider nicht (zumindestens nicht bei uns und nicht an diesem Abend). Kein einziger Ah-, Oh- oder Wow-Moment sind für uns in dieser Preisklasse – und noch dazu bei diesem Renommee des Hauses – einfach zu wenig. Auch als Chefkoch Dorfer am Ende des Abends seine obligatorische Tischrunde macht, will uns partout keine Frage (nach Zubereitung, Zutaten, etc.) oder ein besonderes Lob für ihn einfallen. Damit ist leider fast alles gesagt.
Die Weinkarte verdient dann doch noch eine Erwähnung. Erstens weil diese sehr exklusiv zusammengestellt ist (tolle Auswahl an Gewächsen aus der Wachau, Burgund, Bordeaux, Chianti, etc.), zweitens weil die Preise grenzwertig jenseits von Gut und Böse sind. Den billigsten Weißwein gibt es um 38 €, die meisten Weißen um die 40 € sind jedoch schon ausgetrunken. Beim Roten geht es sowieso erst ab 70 € los. Unsere Frage nach offenen Rotweinen wird mit dem Hinweis auf das Halbflaschen-Sortiment quittiert (die billigste Halbflasche um 60 € – Nein, danke!). Der Preischeck von ein paar günstigeren Weißweinen ergibt einen Aufschlag von knapp 300 Prozent auf den Ab-Hof-Preis. Anscheinend kann man sich im Landhaus Bacher eine solch exklusive wie teure Weinkarte leisten. Noch. Man wird hier in Zukunft umdenken müssen und, neben den Kapazundern, eine Reihe von günstigeren Weinen ins Sortiment aufnehmen müssen. Derzeit passt hier das Preis-Leistungsverhältnis nicht. Gleiches gilt übrigens für das Essen (nur guter Geschmack sind uns keine 120 € wert).
Unsere Erwartungen im Landhaus Bacher wurden nicht erfüllt. Gut essen kann man im altwürdigen Wachauer Gourmettempel natürlich trotzdem. Wer nicht mehr will, wird von Thomas Dorfers Küche begeistert sein. Wer das gewisse Etwas oder neue kulinarische Eindrücke sucht, der bekommt woanders mehr um sein Geld (Steira Wirt, Mraz und Sohn, Taubenkobel, Tom Riederer – um nur wenige in der gleichen Kategorie zu nennen). Wir hoffen, dass das Landhaus Bacher aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und nicht nur in der Küche – sondern auch punkto Service, Präsentation und Weinkarte – bald im neuen Jahrtausend ankommen wird.
Empfehlenswert | Preis-Leistung: schlecht
Landhaus Bacher
Südtirolerplatz 2, 3512 Mautern
www.landhaus-bacher.at
Mag sein dass für manche restauranttester die Fragenbeantwortung (Wer hat den Holler gepflückt? Wieso kommt der Kümmel aus dem Waldviertel? Wer hat den Maibock geschossen?) wichtig ist; mir scheints zu überzogen- wen interessiert´s wer den Maibock geschossen hat– hätte Sie die Antwort ” Michael Mayer aus….” zufriedengestellt; was hätte es Ihnen gebracht?
Hallo ihr 2,
ich bin immer etwas traurig, wenn ich für einen nicht gerade kleinen Preis essen gehe und dann das Gesamtbild am Ende nicht stimmt. Geht es euch auch so? Ich finde eure Kritiken wirklich gut und bin für jede ehrliche Kritik dankbar. Ich finde gerade beim Service wird man in dieser Preisregion (80-120€ p.P. nur fürs Essen) regelmäßig enttäuscht. Da wird oftmals auf gutes Essen geachtet, mehr aber nicht.
Als ich das mit der Weinkarte gelesen habe, musste ich erst einmal schlucken. Das sind ja wirklich sehr astronomische Preise.
Danke für diese ehrliche, tolle Kritik.
Gruß, Martin