Wikipedia weiß über das Wiener Beisl folgendes zu berichten: Zunächst verstand man in Wien unter Beisl ein Lokal niederer Güte, bis sich ein Bedeutungswandel zum Besseren einstellte. Heute spricht man sogar von Nobelbeisln, das sind Lokale mit verfeinerter bodenständiger Küche, in denen sich die Hautevolee trifft.
Das Dom Beisl im Schatten des Wiener Steffls fällt wohl genau in diese Kategorie (nämlich “Nobelbeisl”): hier geht nicht nur die Wiener Hautevolee ein und aus, sondern es wird auch großartig bodenständig – aber eben zusätzlich mit großer Finesse und Perfektion – gekocht. Von niederer Güte ist hier gar nichts, zum Vorteil des Gastes – der sich in dieser schönen Wirtschaft einfach sauwohl fühlt…
Das Dom Beisl steht und fällt mit zwei Namen: Thomas Wohlfarter, den Chefkoch und Hermann Botolen, das Sommelier-Genie. Wohlfarter bezeichnet seine Küche als leidenschaftlich und regional. Beides ist vor allem bei der Produktauswahl zu bemerken, den Kochstil würden wir eher als puristisch-modern mit österreichischen Einschlag charakterisieren. Die große Leidenschaft am Teller haben wir hingegen nicht gefunden – dafür umso mehr im Glas. Dafür sorgt Serviceleiter und Sommelier Botolen mit seiner famosen Weinkarte und spannenden Weinbegleitung um 39 €. Anders als wie so oft, bekommt man hier um sein Geld keine 0815-Weine aus dem Großhandel, sondern grandiose Gewächse aus den besten Weinkellern der Welt. Unser Highlight: der mineralisch-dichte Riesling Kellerberg von Pichler-Krutzler aus der Wachau.
Zur Weinbegleitung bestellen wir das 4-Gang-Menü um 59 €. Die Gourmetpresse feiert diesen Preis als Okkasion (gell, Herr Bachl?), wir finden das gerade noch so in Ordnung. Denn: die puristische Küchenlinie zieht sich hier soweit durch, dass man keinen Gruß aus der Küche bekommt. Nix. Nada. Es gibt Brot und Butter – aber dafür zahlt man sowieso noch extra das Gedeck.
Gebeizter Bio-Lachs mit jungen Erbsen und Kräutern
2013 Riesling „Ried Kellerberg“, Weingut Pichler-Krutzler Dürnstein Wachau
Damit aber genug gesudert. Denn der gebeizte Bio-Lachs zaubert uns dank seiner Optik, geschmeidigen Konsistenz und tollem Aroma ein breites Lächeln ins Gesicht. Die Erbsen müssen durch irgendeine verrückte Kochtechnik im Geschmack intensiviert worden sein, die leicht süße Mohn-Rhabarber-Sauce rundet alles herrlich ab. Dazu wird ein gutes Achterl vom besten Riesling eingeschenkt und wir denken uns zum ersten Mal an diesem Abend: A schöne Wirtschaft!
Ravioli von Süßwasserfischen, mit Fenchel und pannonischem Safran
2008 Ex Vero II, Weingut Werlitsch Ewald Tscheppe Glanz Südsteiermark
Im zweiten Gang demonstriert Wohlfarter seinen Koch-Perfektionismus mit seidig-weichen und formschönen Ravioli, die ganz dick mit einer Süßwasserfisch-Farce gefüllt wurden. Die Ravioli dürfen dabei in einem phänomenalen Fischsud mit feinstem Safran schwimmen, den wir – ganz Beisl like – bis zum letzten Rest mit dem Finger auftunken. Der maischevergorene Cuvée vom Werlitsch passt mit seiner oxidativen Note und seinem mineralischen Touch nicht nur farblich perfekt zum Safran-Fischsüppchen.
Geschmorte Lammschulter mit Melanzani- Erdäpfeltarte
2009 Bourgogne, AC Domaine M.B.Leroy Burgund
Als Hauptspeise gibt es … nun ja … ein Stück Fleisch. Genauer gesagt eine perfekt geschmorte Lammschulter im eigenen Safterl. Besser kann man das freilich nicht kochen, die Beilage fällt allerdings in die Kategorie “Low Carb wider Willen” und geht auch im Geschmack gegen das deftige Fleisch unter. Auch dekorationstechnisch wollte man sich hier keine Mühe geben. Die Lammschulter soll hier wohl für sich alleine stehen. Das ist gelungen, aber für uns für ein Sternerestaurant zu wenig.
Bio-Kalbsfilet mit Mangold und geröstetem Topinambur
Als zweite Hauptspeise gibt es … nun ja … ein Stück Fleisch. Genauer gesagt wird als Alternative zum Lamm ein Bio-Kalbsfilet serviert. Wieder: perfekt gegart, perfekt im Geschmack. Aber der Mangold als Beilage kann auch hier nicht überzeugen, der Klecks Topinambur-Püree (in einem Extraschüsserl) ist nicht der Rede wert.
Mandelmousse mit Passionsfrucht und Ananas
2013 Beerenauslese “Gelber Muskateller”, Weingut Türk Stratzing Kremstal
Das Mandelmousse schaut rein optisch nach einem Desaster aus. Blasses Mousse wird hier mit einer blassen Ananas auf einem weißen Teller serviert – das Farbbild kann auch die orange Passionsfrucht nicht mehr rausreißen. Aber dann der Geschmack: eine Offenbarung – wer hätte das gedacht!
Kleine Käseauswahl
2007 Gewürztraminer „Vendanges Tardives“, Domaine Trimbach Ribeauvillé Elsass
Während wir ja der Weinbegleitung jede Herkunft von einem Supermarkt absprachen, können wir das bei der kleinen Käseauswahl wohl nicht behaupten. Bis auf den gereiften Emmentaler (sehr gut), befindet sich hier leider nur allzu gewöhnliches auf den Teller.
Petit Fours
Den Fromage Faux Pas machen wenigstens die Petit Fours wieder gut. Weiße Pralinen, Cannelés und Katzenzungen (!) sorgen für einen mehr als gelungenen süßen Abschluss.
In einem guten Beisl muss man sich wohlfühlen können. Das Dom Beisl erfüllt diesen Anspruch mit seinem freundlichen Ambiente und seiner lockeren Atmosphäre. Während man Thomas Wohlfarter in der offenen Schauküche beim peniblen Werken zusehen kann, umsorgt einem das kompetente Serviceteam rund um Hermann Botolen in unaufgeregter Manier. Die Küchenleistung im Dom Beisl ist verdammt stark, aber uns eine Spur zu geradlinig und zu wenig verspielt. Für kulinarische Sensationen und Überraschungen geht man besser woanders hin, das Dom Beisl wählt man für einen gemütlichen Abend, bei dem das Essen nicht im Vordergrund stehen – aber trotzdem fantastisch gut – sein soll.
Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Dom Beisl
Schulerstraße 4, 1010 Wien
www.dombeisl.at