Für Restaurants gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Je besser die Aussicht, desto schlechter das Essen. In der 57 Restaurant & Lounge im höchsten Wolkenkratzer Wiens, dem DC Tower, wollen wir das nicht so recht glauben. Zu gut scheinen hier die Vorzeichen zu sein: Mit Siegfried Kröpfl hat man sich einen erfahrenen Mann ins Haus geholt, Sommelier Pascal Kopetzky (Weinskandal, Mraz & Sohn) kümmert sich um die Getränke, und das international-chice Ambiente sucht in Wien seines gleichen. Fix ist auf jeden Fall: vom 57sten Stock des DC Towers hat man derzeit den besten Ausblick auf die Donau-Metropole. Wenn da nur mal das Essen mithalten kann…

Bärlauchspinat mit Wachtel-Spiegelei

Nachdem uns Sommelier-Rebell Pascal Kopetzky den herrlichen 57 Signature Drink (Rosenwasser, Rosenblüten, Angostura, Deutz Rosé Champagner) als Aperitif serviert hat, geht es mit dem Bärlauchspinat als Gruß aus der Küche sehr ordentlich los. Der Bärlauch hält sich dezent im Hintegrund, die Cremigkeit stimmt und das Wachtelei sorgt für einen mollig-wohlige Note.

Melià Salat: Garnelen | Erdfrüchte | Basilikumsamen

Ob die Garnelen im fein abgemachten Melià Salat bewusst nur mehr lauwarm sind, wissen wir nicht. Auf jeden Fall sind die Meeresfrüchte glasig-bissfest gegart, wie wir es gerne mögen. Die Basilikumsamen geben dem Salat einen kleinen Twist, was der Frucht-Espuma und der Frischkäse hier am Teller zu suchen haben, ist uns allerdings schleierhaft.

Steinbutt | Pak Choi | Gnocchetti

Schade darum: beim edlen Steinbutt wurde der Garpunkt leider nicht getroffen. Dementsprechend trocken fällt hier das Geschmackserlebnis aus. Der subtil-würzige Paprikajus mit schwarzem Trüffel (gewagte Kombi!) kann das Gericht genauso wenig retten, wie das knackig-aromatische Gemüse und die hausgemachten Gnocchetti.

Sorbet | Safran | Kürbis

Zwischen Fisch- und Hauptspeise wird traditionell ein Sorbet gereicht, um den Gaumen zu erfrischen und den Appetit nochmal anzuregen. Im Melià ticken die Uhren anders: hier bekommt man einen – gar nicht so kleinen – Eisbecher als Zwischengang. Das Safraneis (ein Milcheis – kein Sorbet) schmeckt sehr spannend, mit dem Fruchtsalat aus Blutorangen und Kürbis (im Frühjahr?) können wir allerdings gar nichts anfangen. Dieses Gericht wäre als Dessert ok gewesen, als Sorbetgang aber definitiv ein Fehlgriff.

Perlhuhn | Rotweinschalotten | Thymianjus

Mit dem Perlhun im Speckmantel kehren wir wieder zurück zur braven, aber leider ideenlosen, Hotelküche. Das Fleisch selbst ist schön saftig gebraten, die Rotwein-Schalotten aber zum Teil nicht weich gegart und das Wurzelgemüse belanglos. Der (angebliche) Thymianjus lässt uns ob seiner Süße ratlos zurück.

Dessertvariation: Crema Catalana | Mozartknödel | Baiser | Schokotarte

Zum Abschluss möchte die Küche nochmal in die Vollen greifen und serviert eine internationale Variation von Dessertklassikern (Spanien, Österreich, Frankreich). Allerdings kann keine der Süßspeisen überzeugen: zu süß und zu gewöhnlich.

Also doch: fantastische Aussicht und fantastische Küche scheinen nicht ganz zusammen zu passen. Nicht falsch verstehen – das Essen im 57 Melià Restaurant ist keineswegs schlecht. Es schmeckt alles gut, aber eben nicht mehr. In dieser Location zu diesen Preisen (4 Gänge: 60 €, 6 Gänge: 90 €) erwartet man sich einfach mehr. Die Küche müsste entstaubt werden – mutiger und frecher in der Umsetzung und erfrischender in der Präsentation. Am besten sie nimmt sich ein Beispiel an das Barteam rund um Sommelier Pascal Kopetzky und Operations Manager Jemil Wette. Denn was hier an Aperitif, Weinbegleitung und Cocktails geboten wird, hat genau jene Attribute, die auch der Küche gut täten: innovativ, anders und – vor allem – sehr köstlich. Bis dahin gilt: im 57 Restaurant gibt es trotz exponierter Lage noch viel Luft nach oben.

57 Restaurant & Lounge
Donau-City-Straße 7, 1220 Wien
www.57melia.com