Hans Moser trällert “Mei Naserl ist so rot, weil I so blau bin” aus dem Wienerlied-Wurlitzer. Daneben teilen sich zwei Paare ein Heurigenbankerl: das junge Hipsterpärchen bestellt gerade ein Uhudler-Kracherl zum Bio-Lardo von Thum, während sich zwei Grantler nach dem Schweinsbraten auch noch genüsslich Buchteln mit Vanillesauce reinschrauben und jeweils mit einem beherzten Schluck Bier runterspülen. Szenen wie diese hätte man vor einem Jahr noch vergeblich in Wien gesucht. In-Lokal und Heuriger, Bobos und Wiener Bazis, Bioqualität und Schlachtplatte – kann das überhaupt funktionieren? Ja, und wie! Der Gschupfte Ferdl macht es vor: Heurigen-Ambiente aus dem 21. Jahrhundert trifft hier auf Wiener-Schmäh und kompromisslose Produktqualität. Beim Ferdl sind nicht nur Sau und Gemüse von Bio-Qualität, sondern auch der Sprit (Wein, Bier, etc.) ist 100% biozertifiziert. Da fühlt sich jeder wohl – vom Biohedonisten bis zum Tschecheranten. Nur den Doppelliter – den gibt’s hier leider auch nicht mehr…
Beim Gschupftn Ferdl hat jemand ganze Arbeit geleistet (zur Info: es waren u.a. die Gebrüder Stitch – aber kennt die echt wer?): das Heurigenbuffet in Mariahilf zwischen Begegnungszone und Naschmarkt punktet mit digitalem Retro-Charm, launigen Sprüchen auf Menükarten und Social Media (Ferdl52 heißen wir auf Twitter, drauf nehm ma gleich an Doppelliter), und mit einer schlichtweg tollen Heurigenjause. Das gemischte Publikum liebt es. Schließlich werden sie nicht nur mit bestem Speis und Trank versorgt, sondern u.a. auch mit Live-Acts (Schrammelmusik, DJs!) und wöchentlichem Heurigenquiz bespaßt.
Das 6-Monats-Jubiläum wird mit zwei neuen Spezialgenussschöpfungen [sic!] gefeiert. Am Sonntag gibt es einen Running Ferdl-Brunch, Mittwochs wird unter dem Namen Ferdl ab Hof ein 3-Gang-Menü gekocht (um wohlfeile 28 €). Spitzenproduzenten liefern die frischen Zutaten direkt vom Schlachten und sollen ein bewusst-intensives Esserlebnis schaffen, das sonst nur dem Erzeuger am Hof selbst vorbehalten bleibt. Der Ferdl hat uns auf diesen Schmaus dankenswerter Weise eingeladen, die Weinbegleitung (4 Gläser um 15,70 €) haben wir selbst geblecht.
Klare Suppe mit Blunzentascherl
Wie wohltuend und nährend so ein Süppchen nicht sein kann! Besonders wenn sie in einer solchen Geschmackstiefe daher kommt wie beim Ferdl. Die Blunzentascherl – hier in Form der Ferdl-typischen gschupften Krapfen – schmecken ebenso so hinreißend wie die feine Gemüseeinlage. Hat man das knusprige Tascherl mal geknackt, gesellt sich die cremig-intensive Blutwurst zur gehaltvollen Brühe und spielt Granada am Gaumen.
Gebratene Mangalitzamedaillons mit Kürbiscreme und Erdäpfelauflauf
Kommt das Schweinderl von einem Bio-Betrieb, schmeckt es gleich um ein Vielfaches besser. Ist so. Fleischqualität hin und her (die ist natürlich hervorragend) – was vor allem zählt ist die Sicherheit, dass das Wollschwein unter ordentlichen Bedingungen gelebt hat. Der rosa Garpunkt wurde perfekt getroffen, das Mangalitzafleisch ist zart und schmeckt unglaublich saftig. Neben der nussig-fruchtigen Kürbiscreme mit Schaufelfaktor, muss der traumhafte Erdäpfelauflauf gelobt werden. Das Gratin wird im Geschmack noch durch Pilze und deren Aroma unterstützt, für Crunch sorgen knusprige Kartoffelfäden. Großes Kino.
Buchteln mit Vanillesauce
Schon der Geruch der warmen Buchteln (nach Germ, Vanille und Süße) lässt uns in Erinnerung an Omas Wohnküche schwelgen. Auch der Geschmack entspricht dieser Idealvorstellung: außen leicht knusprig, innen flaumig und schön süß dank der eingefüllten Marillenmarmelade. Unvergleichlich: der Moment, in dem man den letzten Rest der Vanillesauce mit dem Finger auftunkt.
Der Gschupfte Ferdl ist ein Platz zum Genießen und Chillen, genauso wie zum Picken bleiben und Abstürzen. Diese Kombination macht Spaß und Lust aufs Immer-Wieder-Kommen. Und vielleicht gibt’s ja das nächste Mal auch noch den Biosprit aus dem Doppelliter…
Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Zum Gschupftn Ferdl
Windmühlgasse 20, 1060 Wien
www.zumgschupftnferdl.at