Verwöhnte Fratzen sind wir! Jawohl! Weil: Je regelmäßiger wir Restaurants besuchen, desto schwieriger ist es uns zu beeindrucken (bzw. desto leichter fällt uns das Nörgeln). In letzter Zeit haben Lokale vor allem durch Besonderheiten abseits der reinen Kulinarik Eindruck bei uns hinterlassen: das Kussmaul mit Lässigkeit und Ambiente, das Tian mit Veggie-Konzept und malerisch angerichteten Tellern, und der Hanner mit besonders schlechtem Service. Schön, dass es nun endlich wieder mal ein Restaurant geschafft hat, uns nur mit seiner Kernkompetenz zu verzaubern: im Mercado haben wir nämlich schlichtweg Dinge gegessen und Aromen geschmeckt, die wir so noch nicht kannten. Und ein schöneres Kompliment können wir einer Küche eigentlich nicht machen…
Im ehemaligen Indochine am Stubenring hat mit dem Mercado nun also eine Latin Inspired Market Cuisine Einzug gehalten. Klingt cool, sagt aber mal wenig aus. Also – wie wird hier gekocht? Nun: in erster Linie mal sehr gut. Präziser: mit kulinarischen Einflüssen quer durch ganz Lateinamerika, die Chefkoch Alexander Theil mit saisonalen Produkten spielend leicht auf den Teller bringt. Abgerundet wird das Angebot durch eine zeitgemäße Wein- und Craft-Beer Karte. Ansonsten lautet die Devise “Family Style”, d.h. dass alle Gerichte in die Tischmitte gestellt werden und jeder nach Belieben zugreifen kann – also fast so wie zuhause am Familientisch. Uns gefällts! Besonders attraktiv: die Packages (ab 4 Personen) um wohlfeile 42 bzw. 48 € p.P., mit denen man sich fast durch die gesamte Karte fressen kann. Für à-la-Carte-Esser ist das Mercado ein etwas teureres Vergnügen (aber noch immer ok).
concha & seafood ceviche, aji amarillo yuzu (12 €)
Ceviche in sämtlichen Spielarten sind derzeit weltweit angesagt. Genial (superfrisch, leicht pikant und zart-bissfest) schmeckt erfreulicherweise auch die Mercado-Version der zitrusmarinierten Meeresfrüchte, die mit peruanischer Chilipaste sowie Kresse verfeinert wurde. Schade, dass es dazu nur 3 abgezählte Tortillia-Chips gibt.
yellowtail tiradito, mole rojo – orange, tobiko (10 €)
Eine kleine Götterspeise kommt dann mit dem Hamachi Sashimi daher, das ebenfalls säuerlich-pikant mit roter Mole mariniert wurde. Der rohe Edelfisch schmelzt förmlich auf der Zunge und harmoniert hervorragend zur roten mexikanischen Sauce und der buttrigen Avocado. Den Tobiko-Kaviar braucht wie immer kein Mensch, ist aber nett anzusehen.
crispy beef albondigas, tomato fondue, celery & cilantro (8 €)
Die (angeblich) knusprigen Rindfleischbällchen im Paradeiser-Fondü mit Sellerie und Koriander klingen leider spannender als sie tatsächlich sind. Eh ok, aber im Vergleich zu den beiden Fischgängen zuvor schwach. Blöd also, dass wir zwei Fleischspeisen für den Hauptgang bestellt haben – oder?
braised boar in „pipian verde“, butternut squash & sour cream (19 €)
Zum Glück liegen wir mit unser Befürchtung vollkommen falsch. Denn das Wildschwein-Ragout in grüner Mole mit Butternusskürbis und Sauerrahm ist eine kleine Offenbarung. Die grüne Mole mit dem Butternut zaubert bis dato noch nie geschmeckte Aromen auf unserer Zunge. Dazu kommt feinstes Wildschweinfleisch, zart und intensiv. Lateinamerikanisch-Österreichisches Herz, was willst du mehr?
ancho chili glazed duck breast, sweet potato, ciruela sauce (19 €)
Genauso stark wie das Wildschwein schmeckt die mit Ancho Chili glasierte Entenbrust mit Süßkartoffel und Zwetschkensauce. Auch hier: überraschende Aromen mit viel Power, perfekt gegartes Fleisch und ein traumhaftes Sößchen. Caramba!
corn brulee, corn “xocólatl“ ice cream (6 €)
Als alte Crème-Brûlée-Tiger bestellen wir zum Abschluss noch den abgewandelten Dessert-Klassiker in der Mais-Variante. Und WOW: gemeinsam mit den karamellisierten Popcorn und dem Chili-Schokoladeneis haut uns diese Süßspeise echt um. Fluffige Creme mit subtilem Mais-Geschmack, dazu süß-knackiges Popcorn und ein pikantes Schokoeis lassen uns vor Gaumenfreude fast Salsa tanzen.
“xocólatl“ cake, hibiscus ice cream (7 €)
Fast genauso toll schmeckt der ebenfalls leicht scharfe mexikanische Schokoladekuchen (mit flüssigem Kern – eh kloar!) und Hibiskuseis. Ein würdiger Abschluss für einen tollen Abend mit höchstinteressanten Gerichten!
Das Ambiente hat bei uns jetzt keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es ist nett und zeitgemäß, aber hinterlässt jetzt keinen Wow-Effekt. Cool: die angesetzten Liköre und Brines in übergroßen Einmachgläsern. Nervig: die Zweiertische sind trotz riesigem Platzangebot eng aneinander gestellt. Besser haben uns da schon die lässigen Details, wie das durchwegs formschöne Geschirr und die ausgefallenen Wasserkrüge, gefallen. Beim Service verhält es sich in diesem Fall so wie bei Fußballschiedsrichtern: unauffällig – also gut. Ganz und gar nicht unauffälig sind zum Glück die Speisen, die nach ultrakurzen Wartezeiten auf den Tisch serviert werden. Bravo Alexander Theil und Team! Großes Aromen-Tennis (© Florian Holzer). Klare Empfehlung.
Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Mercado
Stubenring 18, 1010 Wien
www.mercado.at