Was für ein Understatement: “Dieses Restaurant ist kein Restaurant”, sagt der Brandtner selbst über sein Salzburger Pop-Up Lokal. Wenn das wirklich so wäre, dann wollen wir dass es ab sofort keine Restaurants mehr gibt, sondern nur mehr Paradoxa. Denn das Brandtners Paradaxon ist so viel besser, erfrischender und mutiger als die meisten Normalo-Restaurants: es überrascht seine Gäste mit witzigen Genuss-Gimmicks, lockerer Atmosphäre und ganz viel Leidenschaft in der Küche. Hier fühlt man sich wie zu Hause in seinem eigenen Wohnzimmer (nur dass dieses wahrscheinlich nicht so stylisch eingerichtet ist), speist aber wie im Sternerestaurant und darf sich in der begehbaren Wein- und Getränkekarte nach Belieben austoben. So macht ein Restaurantbesuch – äh sorry – ein Paradoxonbesuch verdammt viel Spaß!
Im Brandtners Paradoxon muss man davon ausgehen, dass einem seine Vorstellungen von einem Restaurant gehörig durcheinander gewürfelt werden:
- Aperitif?
“Klar, ihr könnt euch gern ein Craft Bier aus dem Kühlschrank aussuchen” … “oder wollt ihr euch nicht doch lieber selbst einen Gin-Tonic an der Bar mixen?”. - Besteck?
“Muss ich noch schnell aus der Werkzeugkiste holen!”. - Weinkarte?
“Schaut mal ob ihr in der begehbaren Weinkarte was passendes findet, ansonsten kann ich euch gerne was empfehlen – gerne auch glasweise”.
Und ob wir was in dieser Weinkarte finden würden! Beim Stöbern durch die Weinregale und Bierkühlschränke kommt man sich vor wie die Jungs in der Heineken-Werbung, die angesichts der endlosen Flaschenregale komplett auszucken. Ein Bubentraum.
Zur Hirschsalami mit Almbutter und Sauerteigbrot genießen wir noch ein herrlich kräuterwürziges Sierra Nevada IPA, danach begegeben wir uns in die Hände von Stefan Brandtner, der uns mit einer glasweisen Weinbegleitung begeistert (z.B. mit einer Scheurebe Spätlese von Horst Sauer aus dem deutschen Frankenland).
Flüssiger Kürbis: Kürbis-Ingwer Suppe mit Gambas und Zitronen-Topfen Tortellini (10 €)
Ein Supperl um 10 Euronen muss schon was können – diese kann was: herzerwärmend gewürzt, sämige in der Konsistenz und tief im Geschmack. Im flüssigen Kürbis schwimmt außerdem eine glasig gebratene Garnele. Die Stars des Gerichts sind aber die hausgemachten Zitronen-Topfen Tortellini, die aus der banalen Suppe ein Geschmackserlebnis machen. Die Zitrusaromen geben dem Ingwer schön kontra, die Pasta ist herrlich al dente und die Füllung supercremig.
Die Tataren kommen: Kalbstatar mit Salicornes, frittierten Mandeln, roher Entenleber und Weizengrascreme (15 €)
Gut oder schlecht? Das Kalbstatar schafft das Kunststück, dass trotz zahlreicher Komponenten fast nur der reine – milde – Kalbsfleischgeschmack am Gaumen hängen bleibt. Die frittierten Mandeln sorgen für einen schönen Crunch, die Salicornes und Radieschensprossen geben aber zu wenig Würze für das Tatar ab und kommen nur hintergründig zur Geltung. Ein subtiles Gericht für Kalbsfleisch-Puristen, das uns aber allemal lieber ist als der (Ketchup-) überwürzte Tatar-Einheitsbrei, den man sonst so oft bekommt.
We Love America: “Chili Cheese Fries” – handgeschnitzte Pommes darauf hausgemachtes Rinder Chili con Carne mit Bohnen, Mais, Gruyère Käse (12 €)
Chili Cheese Fries in einem Gourmet-Restaurant? Geht. Aber natürlich nur dann, wenn sie selbstgemacht, vermutlich dreimal frittiert und mit einem traumhaften Chili con Carne gekrönt werden. Nur als Zwischengericht sind die Fries wohl ein bisschen zu üppig geraten. Danach bleibt für den Hauptgang kaum noch Platz.
Immer wieder, Immer wieder: Garnelen in der Schale gebraten und serviert, mit Thymian und Heiligem Basilikum, Tomaten-Jalapenos-Salsa, Nussbutter-Mayonnaise, Mango-Joghurt Dip (1/4 kg: 16 €)
Auch die Garnelen sollte man sich am besten teilen. Die Meeresfrüchte schmecken zwar genauso herrlich wie die Fries, die Saucen würden aber auf jeden Fall mehr Bums vertragen. Eigenartig, dass hier kein Brot oder Baguette dazu serviert wird – aber man kann ja bei den Pommes vom Nebenteller mitnaschen.
Waldgeflüster: Rehrücken rosa gebraten mit Pastinakencreme, Pastinaken, Maroni und Radicchio
Der rosa gebratene Rehrücken schmeckt top – da gibt es kein Zittern: superzart, mit wunderbarer Würzung nach schwarzem Pfeffer, Zimt und Kardamom. Maroni und Pastinaken ergeben mit dem Wild eine gute Kombination, allerdings kann uns Aroma und Konsistenz der Creme nicht voll überzeugen.
Preiselbeer-Tiramisu (10 €)
Das Tiramisu kommt in einer italienisch-österreichischen Variante mit Preiselbeer daher und schmeckt tadellos. Nach dem üppigen Menü davor, reicht die Portion auch leicht für Zwei, trotzdem ist der Preis für diese unaufgeregt-köstliche Nachspeise sehr happig.
Das Brandtners Paradoxon behauptet nicht nur kein Restaurant, sondern auch ohne roten Faden zu sein. Beides ist natürlich als Provokation zu verstehen, als Antithese zu alteingesessenen Gourmet-Zwängen und Restaurant-Riten. Der Gast soll damit rechnen, überrascht zu werden – diese Übung gelingt zweifelsfrei und ist damit leider schon wieder weniger überraschend. Dennoch: wir lieben Flair, Ambiente und Spirit dieses Anti-Restaurants und würden uns viel mehr von dieser Sorte wünschen. Lässiges Servicepersonal mit Schmäh, Kompetenz und Verve treffen hier auf kreative Gastro-Experimente und sehr gute Küche. Unaufgeregt schick und aufregend anders, unprätentiös und einfach saugut. Paradox.
Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Brandtners Paradoxon
Zugallistraße 7, 5020 Salzburg
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