Mein Gott Walter! Wir wissen ja, dass du mit ein paar Hauben und sogar mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet bist – aber müssen deine Menüs wirklich so teuer sein?
Mein Gott Walter! Kannst du dein schnödes – *rüspel* ähm – gediegen-traditionelles Ambiente nicht ein bisschen aufpeppen und aus dem vorigem Jahrhundert heraus holen?
Mein Gott Walter! Deine Speisen und Weine überzeugen auf eine so herrlich unaufge-regte Art und Weise, dass wir dich gerne öfter besuchen kommen würden. Aber vorher lass uns bitte an den ersten beiden Punkte arbeiten…
Am Restaurant Bauer im ersten Wiener Gemeindebezirk scheint die Zeit beinahe spurlos vorüber zu gehen – im positiven und negativen Sinne. Das gepflegte Interieur dürfte eindeutig ein Relikt aus vergangenen Jahrzehnten sein, dafür zeugt aber auch Küche und Keller seit langer Zeit an Beständigkeit in der Wiener Gourmetszene. Wer zum Bauer geht, weiß was er bekommt: Moderne österreichische Küche auf höchstem Niveau, die zweitbeste Weinkarte der Stadt (nach dem Palais Coburg) und ganz hohe Schule im Servicebereich. Keine Wow-Effekte (wie etwa im Mraz & Sohn), kein rollenden Wägen (wie im Steirereck) und kein modernes Ambienten (wie im Konstantin Filippou) – sondern einfach nur gutes Essen und Trinken. Wer genau das sucht, wird im Bauer glücklich sein. Etwas schmerzbefreit sollte man allerdings bzgl. der Preise sein: das 4-Gang Menü (ohne Dessert) kostet mit Gedeck 73 €, die 5 Gänge mit Nachspeise schlagen sich dann mit 87 € zu Buche. Vier passende Gläser Wein finden sich mit 30 € auf der Rechnung wieder. Ein teures Vergnügen, das aber trotzdem viel Freude macht. Wir zeigen Euch warum:
Im Restaurant Bauer wird traditionell eine Schnitte Leberkäse mit Zwiebelsenf als Gruß aus der Küche serviert (das Foto dazu wollen wir euch wegen seines unspektakulären Äußeren vorenthalten). Optisch weitaus gelungener sieht der erste Gang des Menüs aus: Die Gänseleber mit Chicorée und Blutorangen schmeckt tadellos und nicht zu mächtig – was auch an den süß-sauren Blutorangen-Variationen (Gelee, Chutney, Creme) liegen dürfte. Der selbst gebackene Brioche-Muffin und eine Trockenbeeren-Auslese von Kracher tun ihr übriges zu einem mehr als passablen Start.
Klein aber fein gerät der Wachteleiknödel mit Pilzen und Spinat, der beweist wie perfekt Chefkoch Mike Feierabend sein Handwerk beherrschen dürfte. Ein Wachtelei, verpackt in einem Knödel, muss man erst mal so wachsweich und cremig hinbekommen. Wahnsinn! Spinat und Pilze runden dieses schöne Miniatur-Gericht perfekt ab. Einziger Fehler: Nur 1 Knödel
Als Alternative zum Zwischengericht des Menüs ordern wir noch einen feinen Kaninchenrücken mit Brunnenkresse und Rüben. Die Rüben hätten wir zwar als Karotten identifiziert und statt Brunnenkresse lag mehr Quinoa am Teller – ansonsten gibts aber auch an diesem Teller nichts zu meckern (wenn auch nix zum Staunen).
Das gleiche gilt für das Carpaccio mit Senfsauce - idealtypisch, aber halt “nur” ein Carpaccio. Kleines Highlight: die perfekt abgeschmeckte Senfsauce wird bei Tisch kunstvoll auf die rohen Weiderindscheiben gepinselt. Bravo.
Im regulären Menü geht es dann mit dem Skrei mit Oliven, Gurke und Erdäpfeln wieder mit mehr “Ahs” und “Ohs” weiter. Der Winterkabeljau ist selbstredend von perfekter Qualität und wurde entsprechend zubereitet. Die Kombi aus Oliven, Gurken und Erdäpfeln klingt zwar befremdlich, passt aber ideal zum aromatischen Fisch und bietet eine schönes Spiel zwischen salzig und sauer.
Von einem ordinären Kalbsrahmgulasch mit Spätzle haben wir uns nicht viel erwartet. Denkste! Mike Feierabend stilisiert hier den Wiener Klassiker zu einem raffinierten Gaumenknaller hoch. Rosa gegarte Kalbsrückenstücke und cremige Spätzle werden von geräucherter Paprika und einem aromatisch-intensiven Paprika-Gulasch-Jus umschmeichelt. Bitte das ist Weltklasse!
Beinahe genauso gut ist das Spanferkel mit Salatherzen, Radieschen, Blunznflammkuchen geraten. Hier wird sowohl saftig-zartes Fleisch als auch ein knackiges Kruspel geboten. Der Blunzflammkuchen alleine schmeckt zwar herrlich, zerstört aber durch seine Intensität das feine Spanferkel-Aroma.
Apropos intensiv: das Geschmorte Ochsenbackerl mit Grünkohl und Süßkartoffelcrème ist schlichtweg eine kleine Geschmacksbombe. Die tiefdunkle, fast schon zähflüssig Sauce und das mürbe Fleisch finden mit den herzhaften Süßkartoffeln einen idealen Partner. Allerdings fehlt hier eine erfrischende Komponente, die dem Gaumen etwas Entspannung und Abwechslung bietet.
Die Erfrischung holen wir uns dann mit den drei verschiedenen Sorbets mit Früchten. Um 14 € pro Dessert muss einem schon was geboten werden. Und tatsächlich: neben den tollen Sorbets (Apfel, Mango, Haselnuss) wird hier jede Menge feiner Fruchtsalat samt Succos (reduzierte Fruchtsäfte) und Krokant auf dem Teller drapiert. Die restlichen Nachspeisen zeugen ebenso von großer Kunst in der Pâtisserie – eine Seltenheit in Österreichs Top-Gastronomie:
Nougat, Banane, Kokos
Whisky-Schoko
Warum sollte man also das Restaurant Bauer besuchen? Nun ganz einfach: weil man bei Walter Bauer garantiert einen kulinarisch soliden Abend erleben wird. Hier geht bestimmt nichts schief, jeder Gang schmeckt, der Wein mundet und das Servicepersonal macht den Gast zum König. Aber das Abspulen dieser soliden Küchen- und Serviceleistung ist auch gleichzeitig irgendwie das Problem: ein gewisser Grad an Selbstverständnis – ja sogar etwas Langeweile – kommt da auf. Wir brauchen ja nicht immer ein Spektakel, aber bei diesen Preisen möchte man schon etwas Besonderes geboten bekommen. Und auch wenn Speis und Trank besonders gut sind, der Rest ist es nicht. Und so geben wir für das Restaurant Bauer zwar eine klare Empfehlung ab, müssen aber trozdem vor dem nicht ganz stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis warnen… Mein Gott Walter!
Empfehlenswert | Preis-Leistung: schlecht
Restaurant Bauer
Sonnenfelsgasse 17
1010 Wien