Kaum eine andere Restauranteröffnung erweckte heuer schon im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit wie das ON Market am Wiener Naschmarkts (vergleichbar war nur das Konstantin Filippou oder die Fabios-Neueröffnung letztes Jahr). Dabei beschäftigten sich die Berichte über das neue Lokal des Silent Cooks Simon Xie Hong allerdings mehr mit der Innenarchitektur und Design der (angeblich) hippen Location als mit dem kulinarischen Angebot. Zu dieser Tendenz passte auch unsere Eindruck bei unserem ON Market Besuch wenige Wochen nach Eröffnung. Die Location ist Top, das Interieur schick und die Atmosphäre lässig und entspannt. Das Ambiente lädt zum Verweilen ein, das emsige Treiben und der Lärmpegel stören nicht wirklich. Trotz (oder genau wegen?) hohem Bobo- und Promi-Faktor unter den Gästen kommt hier wirkliche Gemütlichkeit auf: ein trendiger Inn-Treff für den After-Work-Drink! Die Küchenleistung konnte uns hingegen bei Weitem nicht so überzeugen:
Wir starten mit den kalten Vorspeisen-Variationen und wollen voller Hunger und Motivation jeweils vier Varianten von Gemüse, Fleisch sowie Meeresfrüchte/Fisch bestellen. Der Kellner rät uns überraschenderweise ab, meint dass wir nur zwei Mal Gemüse und zwei Mal Fleisch bestellen sollten. Begründung: das Gemüse sei unspektakulär und das Fleisch wäre nicht unser Geschmack (!!!) Für die Meeresfrüchte/Fisch-Variation gab er hingegen eine Empfehlung für 4 kleine Schälchen aus. Kurios! Aber: der ehrliche Kellner sollte Recht behalten. Die beiden Fleisch-Vorspeisen sind fast ungenießbar: die kalten Rindfleischscheiben sind trocken, zäh und geschmacksarm. Die Ente besteht quasi nur aus Knochen und Haut zum Abnagen. Das Gemüse gerät da schon viel besser – unspektakulär ja, aber gut: Lotus-Rettich und süßliche Erdos-Kartoffeln (siehe Bild unten, links) sind ein köstlicher Snack zu den ebenfalls guten ON Market Sushi, an der wir lediglich den unverschämten Preis (16 € für 8 Stück Sushi!) bekriteln können.
Preislich ok und geschmacklich sehr gut, sind hingen die Meeresfrüchte/Fisch-Variationen: Der feine Lachs mit Kaviar schmeckt ebenso ganz formidabel wie die Thunfisch-Sashimi mit Gurken. Das Highlight sind der pikant marinierte Oktopus sowie der geräucherte Saibling.
Nach der Irritation bei den Fleisch-Vorspeisen geht es zum Glück fischig weiter. Die Heilbuttsuppe “Thai Style” überzeugt durch viel Geschmack, gehaltvoller Einlage und ist vorzüglich abgeschmeckt: scharf, sauer, salzig. Hier ist alles drin, was eine gute asiatische Suppe braucht.
Auch bei den Hauptspeisen gibt es ein Highlight: die Calamari mit Gemüse und Koriander sind für Liebhaber der pikanten Küche ein wahrer Knaller. Scharfer Chili trifft hier auf die Frische von Koriander und Limette. Bitte mehr davon! Aber leider können da die anderen Hauptgänge nicht mithalten…
… denn diese sehen nicht nur lieblos aus, sondern erinnern geschmacklich eher an einen Convenience-Chinesen. Die Shrimps auf Wok-Nudeln mit Gemüse sind ok, wenn auch etwas eigenwillig abgeschmeckt (Reisessig!). Das geschmorte Iberico-Schwein bietet leider auch kein Geschmackserlebnis, zusätzlich wurde hier großteils eine schlechte Fleischqualität verwendet. Noch enttäuschender präsentiert sich das Saiblingsfilet (übrigens mit der fast gleichen Sauce wie das Schwein). Der arme Süßwasserfisch wurde tot gebraten und ist staubtrocken. Versöhnlich stimmt uns hingegen die Kanton-Ente, die hervorragend und butterzart schmeckt. Dennoch: so große Schwankungen in der Küchenleistung sind für den Laden eines renommierten Starkochs einfach nicht entschuldbar.
Um das ON Market wird und wurde viel Lärm gemacht. Schade, dass aktuell (noch) Ambiente und Coolness-Faktor an erster Stelle stehen und das kulinarische Programm in den Hintergrund gerät. Das (in vielen anderen Kritiken gescholtene) Personal kommt bei uns hingegen gut weg und war den ganzen Abend hindurch sehr freundlich, flink, aufmerksam und ehrlich ;o). Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis finden wir – mit Ausnahme der überteuerten Sushi – ok. Sehr fein ist auch die Wein-Karte, die perfekt zum Asia-Food abgestimmt und fair kalkuliert ist. Fazit: wir werden das ON Market sicher wieder besuchen. Allerdings nur für einen gemütlichen Drink und kleinen Snack zwischendurch, und nicht für ein ausgedehntes Mittags- oder Abendessen.
Wenig Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
ON Market
Linke Wienzeile 36, 1060 Wien
www.on-market.at
Hallo, ihr zwei!
Danke für diesen ausführlichen Bericht – ich bin sehr froh, einmal ein paar ‘Insights’ zu bekommen. Wollte schon länger einen Tisch für uns buchen, doch drei Wochen im Vorhinein sind mir definitv zu lange vorausgeplant…
Womit fotografiert ihr eigentlich? Sind tolle Fotos!
Wärmste Grüße aus der Küche,
Wolfi
P.S.: Unsere Erlebnisse bei einem *wirklich* originären Chinesen haben wir hier: http://www.warmekueche.at/lokalreport/f%C3%BCnf-hauben/no-27/ festgehalten… Wir mochten ‘No.27′ sehr…
Was? 3 Wochen im Voraus muss man da jetzt schon reservieren? Wir haben 2 Tage vorher angerufen!
Wir machen die Fotos mit einer Nikon D40x mit einem 40mm Makro-Objektiv. Danke fürs Lob!
Wir werden den No.27 mal ausprobieren, danke für den Tipp!
LG, Thomas
Ja, jedenfalls war es im Mai so. Für mich ein absolutes No-Go, aber man muss halt immer für sich entscheiden, ob einem das Warten bzw. das Terminisieren dann auch wirkllich *so* wichtig ist…
Ich fragte wegen der Kamera, weil ja Fotografieren in Lokalen manchmal eine nicht unproblematische Sache sein kann… jedenfalls meiner Erfahrung nach. Ich wurde da schon öfters darauf angesprochen.
Mit einer ‘richtig fetten’ Kamera sicher noch mehr… ich hab mich daher aufs Handy beschränkt, was aber mehr als ausreichend ist.
Wärmste Grüße aus der Küche!
Wolfi
Wegen der Kamera: wir wurden zwar auch schon oft angesprochen, aber nie negativ. Im Gegenteil: mit der Erklärung “Wir sind Foodblogger” sind wir immer auf positive Reaktionen gestoßen. Und das gilt sowohl für normale Lokale als auch für Gourmetrestaurant wie das Steirereck oder den Taubenkobel.
Also: eine fette SLR mitzunehmen ist absolut kein Problem. Wichtig ist nur: Blitz und Beepstöne ausschalten
LG, Thomas