Auf Mallorca wollen sie ja jetzt mit einer Qualitätsoffensive starten. Statt Currywurst am Ballermann und Sangria aus Kübeln, soll es auf der Balearen-Insel bald nur mehr feinsten Fisch und Cava aus Magnus-Flaschen geben. Wir waren im September erstmals eine Woche auf Mallorca und können dieses Vorhaben nicht wirklich verstehen. Denn Qualität gibt es auf der Insel bereits heute genug! Beispiele gefällig? Bitteschön:
Mallorcas Weine, wie etwa von der Bodega Ribas, Macià Batle oder Miquel Oliver gelten noch als echte Geheimtipps und bieten u.a. auch viele süffige Tropfen zu sehr günstigen Preisen an. Hochwertige Lebensmittel bekommt man z.B. auf den Wochenmärkten in Palma oder Alcudia, für Top-Fleischwaren (Sobrassada! Cerdo Negro!) pilgert man am besten nach Pollenca zum Delikatessen-Fleischer Ensenyat. Gute Restaurants auf Mallorca? Hier stellt sich nur die Frage, wohin man zuerst gehen soll. Einen tollen Überblick liefert der Restaurantführer Elephant 10. Wir haben sowohl Tapas am Hafen von Palma (Taberna La Bóveda) als auch typisch mallorquinische Küche im Landesinneren (Ca na Toneta - hier wird nur mit hauseigenen Bio-Produkten gekocht, einfach, gemütlich, das Essen ist zum Niederknien!) genossen. Den Höhepunkt unserer Genusswoche auf Mallorca haben wir jedoch im Restaurante Jardín in Port D’Alcudia genossen. Hier wird Mallorcas Küche auf höchstem Niveau zelebriert, authentisch und modern zugleich, mit viel Liebe zum Detail und Kreativität.
Also: lasst doch bitte den Ballermann Ballermann sein! Wer neben (oder statt) Schlagermusik und durchzechte Nächte auch kulinarische Höhepunkte erleben möchte, der muss auf Mallorca schon heute nicht lange suchen. Bester Beweis: das fantastische 11-Gang Degustationsmenü im Restaurante Jardín!
Das Restaurante Jardín in Port D’Alcudia liegt inmitten von Urlauberhotels, nur wenige Meter vom öffentlichen Strand entfernt. Während die Gastronomie in der Nachbarschaft überwiegend mit Tapas, Paella und “All you can eat”-Buffets auf bunten Reklameschildern wirbt, verspricht das Jardín Sterneküche auf höchstem Niveau. Das Restaurant von Chefköchin und Eigentümerin Macarena de Castro ist bereits seit 17 Jahren ein Fixstern am Gourmethimmel von Mallorca. Mittlerweile hat man auch expandiert und betreibt neben dem Sternerestaurant ein Bistro sowie eine Tapas-Bar in unmittelbarer Umgebung. Macarena de Castro und ihr Team stehen für eine mallorquinisch kreative Küche, die Tradition und Fortschritt vereint, indem sie bodenständige Produkte der Insel mit modernsten Methoden zubereiten. Auch bzgl. Ambiente ist man in der Moderne angekommen: der Degustationsraum präsentiert sich gediegen aber kühl, geradlinig und sehr aufgeräumt. Sorry, aber auf der Terrasse im Bistro wäre es sicher um einiges gemütlicher gewesen!
Standesgemäß eröffnen wir den Genussreigen mit einem Glas Cava - einem vorzüglichen Rimarts Gran Reserva 40, der mit seinen reifen Fruchtaromen und mineralischen Noten unsere Geschmacksknospen für die kommenden elf Gänge öffnet. Dazu gibt knusprig frittierte Mini-Sardellen in Form von Seesternen mit salzigen Meeresalgen. Im Jardín wird übrigens ausschließlich ein 11-Gang-Degustationsmenü serviert, das monatlich wechselt und sehr faire 85 € kostet. Gleichzeitig mit Cava und Meeres-Knabbergebäck bekommen wir ein kleines Büchlein geschenkt. Darin befinden sich neben hübsch bebilderten Informationen über Restaurant und Küche, der aktuelle Einkaufszettel mit den wichtigsten Zutaten des heutigen Menüs: Sobrassada, Goldmakrele, Perlhuhn, Feigen und noch vieles mehr machen uns somit schon zu Beginn den Mund wässrig. Sehr schön!
Mit einer simpel anmutenden Gemüsebrühe und einem schon etwas aufwendiger klingendem Geeisten Bonbon vom schwarzen Schwein glückt Chefköchin Macarena de Castro ein denkwürdiger Start in das 11-Gang-Menü. Die intensiv nussige Brühe von trocken gerösteten Kichererbsen schlägt so ziemlich jedes Suppen-Geschmackserlebnis, das wir je hatten (Sorry Plachutta!). Dazu wird dann auch noch ein “Keks” aus kaltem Spanferkel mit Eis von seiner Jus gereicht. Salzig, fleischig, fettig – knusprig, bissfest, cremig – hier dürfen sich alle Geschmackssinne kräftig austoben. Gigantisch!
Genauso gut geht es dann auch weiter – mit der mallorquinische Form der Pizza – “Coca” genannt. Die hauchdünn gebackene Coca von Sobrassada, Feigen und Zwiebeln schafft einmal mehr den Spagat zwischen verschiedene Texturen und Aromen. Geschmorte, schon leicht karamellisierte, Zwiebeln und cremig-würzige Sobrassada vom Schwarzen Mallorcaschwein (Sobrassada: eine mallorquinische Wurstspezialität aus getrocknetem Schweinefaschierten) bilden den Belag auf dem knusprigen Cocaboden. Getoppt wird diese köstliche Kreation mit süß-fruchtigen Feigen, die am Gaumen den idealen Kontrast zur pikant-fleischigen Sobrassada liefern.
Nach den beiden erdigen Appetizern geht es nun in die See. Im Gegensatz zu den vorigen Vorspeisen ist die Geräucherte Goldmakrele beinahne subtil im Geschmack, gemeinsam mit den eingelegten Radieschen aber dennoch ein tolles Gericht.
Voll in die Aromakiste wird beim nächsten Gang namens Meeres-Popcorn gegriffen: Dahinter verbirgt sich eine bissfeste und salzige Seegurke mit niedertemperaturgegartem Eidotter, cremigen Kartoffelpüree und kräftigem Entenfond. Besonders die Seegurke stellt für uns ein absolutes Highlight dar, findet sie doch nur in der mallorquinisch-katalonischen Küche in dieser Form Verwendung. Eine absolute Rarität, die sensationell schmeckt. Der Eidotter bietet einen schönen farblichen Kontrast, kann das Gericht aber nicht zusätzlich aufwerten.
Superfischig geht es mit dem Traditionellen Aal-Eintopf mit Nudeln weiter. Hier dürfen wir einen sämig-intensiven Fischsud – ähnlich einer Bouillabaise – gemeinsam mit perfekt gegarten Aal genießen. Nur die angekündigten Nudeln suchen wir vergebens – dafür gibt es selbstgebackenes Brot, das für Mallorca-Verhältnisse eine absolute Wohltat ist.
Ebenso perfekt gebraten zeigt sich die Seezunge mit gehackten Tomaten und Fenchel. An der Seezunge kann kein Feinschmecker der Welt etwas aussetzen – festes Fleisch, knusprige Haut, feinster Fischgeschmack. Das Tomatenrelish mit Dill und Fenchel bleibt Geschmackssache, die Erbsenmayonnaise kann hingegen den gesamten Tisch begeistern.
Das Perlhuhn mit getrockneten Marillen kommt in zwei Varianten auf den Teller. Einmal als sous-vide-gegarte Brust, einmal als geschmorte Keule. Am Tisch wird gestritten, welches Fleisch nun das bessere sei. Ergebnis: 2-2. Die Kartoffeln und Marillen kommen freilich frisch aus Mallorca, genauer gesagt aus der Gemeinde Porreres, die für seinen Marillenanbau weit über die Inselgrenzen hinaus bekannt ist.
Applaus für die Küche! Die ersten acht pikanten Gänge waren großartig spielen für uns in einer ähnlichen Liga mit den ganz Großen der Haute Cuisine (etwa dem Steirereck in Wien oder dem Eleven Madison Park in New York). Als “Vor-Dessert” serviert man uns eine Geeiste Zitrone, die in einer ausgehölten Zitronenhälfte und auf zerknüllter grüner Folie im Glas “recht eigenwillig” präsentiert wird (O-Ton unseres sympathischen deutschen Kellners).
Zwischen Käse- und Süßgang balanciert der Hüttenkäse mit Johannisbrotkernmehl-Kuchen, Topfeneis und Orange. Der Balanceakt gelingt bei dieser wunderbaren Geschmackskombination bravourös. So innovativ kann ein Käsegang aussehen!
Zum Abschluss wird es dann mit Feigen, Schokolade und Kaffee nochmal richtig süß. Das Dessert aus Schokolade, einem Kaktusfeigen-Sorbet, frischen Feigen und salzigem Kaffeegebäck ist zwar fast zu schön zum Essen, wird aber von uns dennoch rücksichtslos und genussvoll verschlemmt,
Als wir bereits nach der Rechnung fragen, taucht plötzlich nochmal unser Kellner auf und posaunt “Ohne Petits Fours geht hier keiner nach Hause!“. Dem Befehl wird natürlich Folge geleistet, der kulinarische Gehorsam macht sich auch sehr bezahlt: Als süße Abschiedsgrüße aus der Küche werden uns Miniversionen der mallorquinisch-katalanischen Dessertküche kredenzt: eine schnuckelige Crema Catalana, eine winzige Ensaimadas und eine kleine aber mächtige Schoko-Schnecke. WOW!
Unser Essen im Restaurante Jardín haben wir beinahe wie ein Private Dinner mit persönlichem Butlerservice erlebt (großes Kompliment nochmal an das kompetente und superfreundliche Servicepersonal!). Zur Mittagszeit waren nur zwei Tische besetzt – am Abend ist man hingegen stets ausreserviert, versichert man uns. In dieser intimen Atmosphäre kam dann trotz kühlem Gourmetrestaurant-Flair doch noch viel Gemütlichkeit auf. Ungezwungen und unkompliziert wurden uns ganz und gar nicht gewöhnliche Speisen am laufenden Band serviert. Besonders gut gefallen hat uns, dass die klassischen mallorquinischen Spezialitäten wie Sobrassada, das Schwarze Mallorcaschwein, Coca, Ensaimadas und Co subtil in das Degustationsmenü eingebaut wurden. So hat selbst der kulinarische Mallorca-Anfänger bei jedem Gang einen Wiedererkennungswert, ohne dabei auf ständige Überraschungseffekte dank der stets modernen und kreativen Zubereitungsart verzichten zu müssen. Fazit: Wenn man auf Mallorca ist, sollte das Restaurante Jardín unbedingt besucht werden. Von Palma oder dem Ballermann aus ist Port D’Alcudia nur gut 30 Minuten entfernt – ein Abstecher, der sich bestimmt lohnt!
Sehr Empfehlenswert | Preis-Leistung: ok
Restaurante Jardín
Carrer Tritons, 07400 Port D’Alcudia
Mallorca, Balearen
www.restaurantejardin.com