Der britische Starkoch Gordon Ramsay polarisiert kräftig: die einen bezeichnen ihn als genialen Kochkünstler, ehrlichen Kritiker und detailverliebten Perfektionisten; die anderen charakterisieren ihn als überschätzt, vulgär und besessen. Langweilig passt aber so gar nicht zum “Chef ohne Gnade”. Umso überraschter sind wir, als wir in Ramsay’s Fine Dining Flaggschiff Pétrus, eine so perfekt inszenierte französische Küche vorfinden, dass sie fast schon wieder langweilig ist. Naja, aber nur fast … denn der Star des Abend war für uns nicht (der eh nicht anwesende) Gordon Ramsay, sondern Chef Sommelier Johannes Hartmann, der unseren Besuch im Pétrus zum Erlebnis machte.
London. Knightsbridge – beste und teuerste Wohngegend der englischen Hauptstadt. Heimat von Gordon Ramsay’s Pétrus. Das Ambiente liegt irgendwo zwischen fancy und gediegen, der freundliche Dining Room wird von einem spektakulären zylinderförmigen Weinsafe bestimmt, der 1500 Flaschen fasst und von innen begehbar ist. So ein Teil macht sich bestimmt toll im Wohnzimmer und muss bei einem allfälligen Hausbau auf jeden Fall mit eingeplant werden (doch zum Weinsafe später noch mehr!). Preislich passt sich der Fine Dining Spaß im Pétrus an die feine Wohngegend an – um die Urlaubskassa nicht zu sehr zu strapazieren, kommt für uns nur das fünfgängige Chef’s Menu um 75 Pfund in Frage – welches aber sehr ansprechend klingt und auch schmeckt:
Gestartet wird mit dem Gruß aus der Küche: Knuspriges Brot mit Chutney und Gänseleber sowie Frühlingsrolle mit Ziegenkäse-Limettencreme. Das süß-scharfe Chutney findet mit der Gänseleber seinen idealen Tanzpartner auf der Zunge. Als Kontrast dient die säuerliche Rolle. Insgesamt eine delikate Kombination, die Lust auf mehr macht.
Munter weiter geht es mit Gruß Nummer Zwei: Krokette gefüllt mit Port-Huhn und Gurken Senf Remoulade. Die knusprige Krokette umhüllt ein geschmacksintensives Huhn, das ergänzt mit der Frische der Remoulade eine schöne Sache ergibt.
Starter des Chef Menü ist Pressed foie gras and confit duck with Szechuan glaze, chargrilled pineapple and cashew nuts. Das Arrangement der Enten- und Gänseleber ist sehr mächtig, aber gemeinsam mit der Süße der Ananas und den nussigen Cashewkernen wiederum ein wahrer Genuss.
Weiter geht es mit Lobster and salmon ravioli with peas and broad beans, Champagne and chive velouté. Die edle Hummer-Lachsfüllung des al dente gekochten Ravioli zergeht auf der Zunge. Es hätte gerne noch ein Zweiter am Teller Platz finden können!
Zum Hauptgang gibt es einerseits Roasted Suffolk pork fillet with crispy suckling pig belly, apple and Madeira jus. Das Zweierlei vom Schwein ist handwerklich perfekt zubereitet. Die Frische der Äpfel und der würzig abgeschmeckte Jus geben den gewissen Kick.
Anderseits gibt es Fillet of Casterbridge beef with braised shin, baby carrot and Barolo sauce. Handwerklich perfekt die Zweite: das Rind ist auf den Punkt gebraten und schmeichelt der Nase mit tollen Röstaromen. Die feine Sauce und die klassischen Beilagen (Gratin, Gemüse) runden diesen Hauptgang ab.
Für die Käseauswahl (Selection of cheese with accompaniments) durften wir 6 Pfund Extra berappen. Neben französischen und italienischen Klassikern, gab es einen spannenden britischen Käse – salzig wie ein Pecorino und cremig wie ein Brie. Ansonsten hat uns die Käseauswahl nicht überzeugt, das Gasthaus Schmutzer in Winzendorf hat eine größere Vielfalt am Käsewagen.
Als fruchtige Draufgabe kommt Strawberry Eton Mess auf den Tisch. Ein gute aber nicht herausragende Kreation. Süß und fruchtig, aber uns fehlt der Pfiff.
Als echtes Dessert wird natürlich das “Icon Dish” des Pétrus kredenzt: Chocolate sphere with milk ice cream and honeycomb. Klingt nicht nur abgefahren, ist es auch. Eine Kugel aus dunkler Schoko wird mit warmer Schokolade übergossen – bis die Hülle der Kugel bricht, und die Milch-Eiscreme im Inneren zum Vorschein kommt. Geschmackvoll kreiert – effektvoll präsentiert.
Der süße Abschluss in der Form von White Chocolate cake pops im flüssigen Stickstoff ist nicht weniger spektakulär und lecker. Knackige Hülle, eiskalter Kern, cremiger Abgang!
Aber jetzt genug vom Essen, sprechen wir vom Wein: Hier kann das Pétrus natürlich aus dem Vollen schöpfen. Nicht nur, dass der namensgebende Rotwein Pétrus in 25 Jahrgängen auf Lager ist (Jahr 1945 um 19.500 Pfund!), auch sonst bietet die Weinkarte ALLES, was der internationale Weinkenner begehrt (inkl. einige Tropfen aus Österreich und Deutschland). Die Preise für Glas und Flaschen sind natürlich grenzwertig.
Wir können allerdings von einem Glücksfall reden, dass wir während dem Dinner mit dem jungen Chef-Sommelier Johannes Hartmann ins Gespräch kommen. Der “Hamburger Jung” arbeitet seit vier Jahren in London und darf sich seit einiger Zeit Chef über einen der wohl wertvollsten Weinkeller Londons nennen. Mit dem sympathischen Sommelier plaudern wir über die Londoner Gastronomieszene, edle Weine und Genussreisen. Ab dem Hauptgang vertrauen wir seinen Weinempfehlungen blind (die sich später nur mehr sporadisch auf der Rechnung finden – danke dafür!) und hängen an seinen Lippen, wie er unaufgeregt einen Wein nach den anderen beschreibt. Als Draufgabe dürfen wir schließlich den eingangs erwähnten Weinsafe begutachten (fantastisch!) und sogar der Küche im Keller einen Besuch abstatten. In Letzterer ist es ausgesprochen ruhig, ach ja – Chef Ramsay ist ja nicht da. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an Johannes für die netten Gespräche, die tollen Weinempfehlungen und die exklusive Restaurantführung!
Fazit: Wer auf typische französische Küche und opulente Weinauswahl im modern-gediegenen Ambieten steht, der ist im Pétrus sehr gut aufgehoben. Für alle anderen gibt es wohl spannendere und vor allem preisgünstigere Adressen in London (z.B. das 10 Greek Street in Soho).
Empfehlenswert | Preis-Leistung: schlecht
Gordon Ramsay Pétrus
1 Kinnerton Street, Knightsbridge
London, SW1X 8EA
www.gordonramsay.com/petrus